Verfuehre niemals einen Highlander
„Haben Sie ein Pferd?“
„Im Stall draußen. Nehmen Sie es schon! Aber es ist nicht gerade sanftmütig, und niemand wird Ihnen helfen können.“
„Es wird schon gehen.“
„Gehen Sie durch die Küche zur Hintertür hinaus.“
Auf diesem Weg gelangte sie direkt zum Stall, über dessen Tor eine Laterne glomm. Sie nahm sie mit ins Innere, wo sie drei leere Boxen vorfand; die vierte füllte ein riesiger schwarzer Hengst fast vollkommen aus, der bei ihrem Anblick unruhig mit den Hufen scharrte.
Aus der dämmrigen Tiefe des Stalls trottete eine kleine dunkle Gestalt herbei und wedelte mit dem buschigen Schweif. „Du“, sagte Selina und musterte diese Strafe in Form eines Hundes. „Hätte ich mir denken können, dass du da auftauchst, um Ärger zu machen.“
Sie hängte die Laterne an einen Balken, fand Zaumzeug und Zügel und ging damit in die Box. Das Pferd rollte mit den Augen, kein gutes Zeichen, so wenig wie die gebleckten Zähne.
„Ganz ruhig, ich tu dir nichts“, murmelte sie und tätschelte ihm Hals und Schultern. Der verflixte Hund kam in die Box getrottet. Lästiges Geschöpf. Er setzte sich zu ihren Füßen nieder und schmiegte sich an ihr Bein. Der Hengst beäugte ihn, senkte den Kopf, und Nase an Nase schienen sich die beiden Tiere zu begrüßen. Sofort beruhigte er sich und ließ sich zu ihrem Staunen ohne Sträuben die Zügel anlegen. Aber würde er sie aufsitzen lassen? Oder verschwendete sie hier nur ihre Zeit? Inzwischen hätte sie schon ein ganzes Stück die Trasse hinablaufen können.
Das Tier zu satteln, dafür reichte die Zeit nicht. Da, die Satteldecke musste genügen! Konnte sie überhaupt ohne Sattel reiten? Sie musste es versuchen. Sie führte das Tier zu der Steighilfe im Hof und zog sich, indem sie sich an Zügel und Mähne klammerte, auf seinen Rücken. Zumindest bockte der Hengst nicht, wenn er auch unruhig tänzelte. Der Hund bellte auffordernd und schoss aus dem Hof auf die Straße. Das Pferd folgte ihm.
Um keine unerwünschte Aufmerksamkeit zu erregen, ließ Selina es auf der Dorfstraße nur im Schritt gehen, und der Hund lief neben ihnen her. Der harte Gang rüttelte sie durch, dass ihr die Zähne klapperten, daher trieb sie das Pferd an, sobald sie das letzte Cottage hinter sich gelassen hatte. Die weichere Gangart bekam ihr wesentlich besser. Vielleicht schaffte sie die drei Meilen ja tatsächlich, ohne vom Pferderücken zu fallen.
An der Wegkreuzung zögerte sie, doch der Hund rannte geradeaus weiter, die Nase dicht am Boden. Das Pferd folgte ihm. Also wurde ihr die Entscheidung abgenommen. Sie gab die Zügel frei und konzentrierte sich nur darauf, im Sattel zu bleiben und eventuellen Gefahren auszuweichen. Nach etwa zehn Minuten bog der Hund Richtung Meer ab. Wenn dort ein Weg war, konnte sie ihn nicht sehen, trotzdem lenkte sie das Pferd hinterher, und kurz darauf vernahm sie das gleichmäßige Brausen der Brandung. Auf ihren Lippen schmeckte sie Salz, und der Geruch nach Tang und Seegras drang ihr in die Nase.
Wenn sie sich recht erinnerte, war der Rest der Strecke sehr steinig. Gefährlich für ein Pferd. Also zügelte sie es und ließ sich zu Boden gleiten. Zwar schmerzte ihr Gesäß, doch ihr verletztes Bein trug ihr Gewicht ganz mühelos. Offensichtlich war der Herrensitz, selbst ohne Sattel, schonender für ihr Bein als der verhasste Damensattel.
„Wo sind sie, Junge?“, rief sie dem Hund leise zu, während sie wachsam umherschaute. Eins wollte sie ganz bestimmt nicht, nämlich Dunstan oder seiner Miliz in die Arme laufen.
Der Hund lief voran und sie folgte, das Pferd am Zügel. Würde sie noch rechtzeitig kommen?
Über den groben Kies stolpernd folgte sie ihm und hoffte, er werde sie zu seinem Herrn führen und nicht zur Kaninchenjagd.
Ein tiefer Einschnitt in den Felsen, von dem ein Bach hinabplätscherte, zeigte ihr, dass ihre Erinnerung sie nicht getäuscht hatte. Auf einer ihrer verbotenen Exkursionen war sie einmal den Bachlauf entlang hinunter zum Strand geklettert.
Ein Geräusch hinter ihr. Ein Zweig knackte. Sie wirbelte ängstlich herum, eine Hand aufs Herz gepresst. Eine große Gestalt, schwarze Konturen vor dem weiten Meer, dem nächtlichen Sternenhimmel, tauchte aus dem niedrigen Gebüsch neben ihr auf und kam auf sie zu.
„Halt!“, zischte eine Männerstimme.
Warum hatte der Hund sie nicht gewarnt? Freund oder Feind? Sollte sie es wagen? Sie drehte sich um und wollte fliehen. Der Mann stürzte vorwärts, umklammerte ihre Beine und
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