Verfuehre niemals einen Highlander
den Wimpern. „Da bin ich aber froh, dass Sie den Oberbefehl haben.“
Er verneigte sich, nahm ihre Hand und hauchte einen Kuss darauf. „Bis zum nächsten Mal.“
Die Berührung ließ sie kalt und unbewegt. Kein wilderregtes Beben durchfuhr sie. Genau so war es ihr recht.
„Lieutenant Dunstan wird nächste Woche bei uns speisen, Selina. Es wird noch Zeit genug für Plaudereien geben“, mahnte ihr Vater.
Nächste Woche. Nächste Woche würde ihre Zukunft feststehen. Sie empfand die Verzögerung, als wäre es ein Aufschub vor dem Galgen, dabei sollte sie doch ungeduldig darauf warten.
„Wie ich mich darauf freue!“ Sie schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln, während sie ahnungsvoll beobachtete, wie er errötete. Hatte sie mit der Wahl dieses Mannes einen Fehler begangen? War er schwächer, als sie dachte? Sicher, sie wollte, dass er gefügig war, doch nicht völlig ohne Rückgrat.
Zu spät, das alles zu überdenken. Zu spät, sich anders zu entscheiden.
Dunstan wandte sich wieder ihrem Vater zu. „Dieses Mal wird es ihnen an den Kragen gehen, das verspreche ich, Sir. Einen guten Tag wünsche ich, Lord Albright.“
Mit einer knappen Verbeugung schritt er hinaus, wobei seine Sporen mit jedem harten Stiefeltritt auf den steinernen Stufen zur Halle hinunter klirrten.
„Wem wird es an den Kragen gehen?“, fragte Selina.
Ihr Vater rieb sich die Hände. „Wenn diese Sache heute Nacht gut verläuft, werde ich wohl auch für Dunross einen Käufer haben.“
Sie keuchte auf. „Du willst Dunross verkaufen?“
„Dunston hat kein Interesse, diesen Sitz im wildesten Schottland zu halten. Auch du wirst hier nicht leben wollen. Mit dem Erlös kann er einen Landsitz in Sussex in der Nähe seiner Eltern kaufen und noch ein Stadthaus dazu, ganz wie du es wolltest.“
Aus irgendeinem Grund war ihr nie in den Sinn gekommen, dass Dunross verkauft werden könnte. Es war ihre Mitgift. Sie hatte sich immer vorgestellt, dass sie es einmal einem ihrer Kinder überschreiben werde.
„Und was hat der Verkauf von Dunross Keep damit zu tun, dass die Schmuggler erwischt werden?“
„Ian Gilvry war mir stets ein Dorn im Auge und eine Abschreckung für jeden Interessenten. Wenn er aus dem Weg ist, sollten wir einen guten Preis erzielen.“
Ihr wurde eiskalt. Erschreckt riss sie die Augen auf.
„Nun?“, sagte ihr Vater.
„Ich … ach, nichts, ich sollte wirklich gehen und Chrissie sagen, dass der Lieutenant nicht zum Tee bleibt.“
„Lass nur, dafür werde ich euch Gesellschaft leisten.“
Verflixt! Nun musste sie wohl die Haushälterin anweisen, im Salon den Tee servieren zu lassen, wo sie doch jetzt nur eines wollte: allein sein und nachdenken.
4. KAPITEL
S elina schlug mit der Faust auf ihr Kopfkissen ein. Bestimmt hatte jemand Steine statt Federn hineingetan. Unruhig warf sie sich auf den Rücken. Wenn Dunstans Plan Erfolg hatte, würde Ian hinter Gitter kommen oder gar Schlimmeres. Der Narr! Wie konnte er sein Leben riskieren, wenn so viele Menschen von ihm abhingen?
Die Cottages im Dorf waren völlig desolat – eindeutig noch baufälliger als bei ihrem Aufenthalt vor sieben Jahren. Die Kinder, die sie auf der Straße hatte spielen sehen, waren nicht nur zerlumpt und schmutzig, sondern auch spindeldürr. Die Menschen verhungerten. Er sollte sie beim Verkauf ihrer Feldfrüchte unterstützen und nicht seine Reichtümer durch Straftaten vergrößern.
Kartoffeln und Gerste waren das einzige, was auf dem kargen Boden der Highlands gedieh. Und die Gerste nutzten sie hier, um Whisky daraus zu machen anstatt Brot. Unter anderem deshalb verachtete ihr Vater die Ansässigen so – weil sie starken Alkohol der Nahrung vorzogen.
Die Highlander schworen auf ihren Whisky und schrieben dem Malzbranntwein heilende Kräfte zu. Selbst Säuglingen flößten sie ihn ein.
Und nicht nur ungebildete Kleinbauern hielten an den alten Vorstellungen fest, sondern auch der Adel. Eine Schule, Bildung, würde sie endlich ins neunzehnte Jahrhundert befördern, doch dieses Ziel würde gar nicht erst in Angriff genommen werden, wenn man Ian wegen Schmuggels deportierte oder sogar – sie wollte es sich nicht vorstellen. War ihm nicht klar, dass er die Zukunft seiner Leute ruinierte, wenn er sein eigenes Leben für ein paar Fässer Weinbrand aufs Spiel setzte?
Oder schmuggelte er, um ihre Bäuche zu füllen? Weil ihr Vater sich keinen Deut um die Menschen dieses Landstrichs kümmerte?
Ihr gefror das Blut in den Adern. So wenig sie
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