Verführer der Nacht
senkte die Stimme. »Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen, Colby. Hier ist meine Handy-Nummer. Ich verlasse diese Gegend demnächst. Wenn Sie mitkommen wollen, rufen Sie mich einfach an. Ich kann nie sehr lange an einem Ort bleiben.«
»Ich habe Geschwister, um die ich mich kümmern muss.«
»Wenn ein Jäger in der Gegend ist, ist ein Vampir nicht weit. Sie können sie vor einem Vampir nicht beschützen.«
»Woher haben Sie gewusst, dass Rafael ein Jäger ist?«
Natalya sprach noch leiser. »Ich habe ein Muttermal, links unten auf meinem Bauch. Es sieht wie ein feuerspeiender Drache aus, und wenn ein Jäger oder ein Vampir oder auch nur einer seiner menschlichen Handlanger in der Nähe ist, brennt dieses Mal.«
Colby zog scharf den Atem ein und legte eine Hand an ihre linke Seite. »Woher kommt dieses Mal?«
Natalya zuckte die Schultern. »Ich habe es von Geburt an. Es hat mir schon oft das Leben gerettet.«
Colby rieb sich direkt unter dem Verband den Schenkel, um den Schmerz ein wenig zu lindern. »Hier in der Gegend ist ein Vampir, und Rafael sagt, dass er sich von anderen unterscheidet, weil er mehr Macht hat.«
Natalya runzelte die Stirn. »Können die Jäger ihn töten?«
»Das weiß ich nicht. Rafael wurde verwundet, und der Vampir konnte entkommen. Aber ich glaube, Rafael hat ihn verletzt.«
Natalya seufzte. »Irgendwie gefällt es mir hier. Ich würde gern noch bleiben. Ich habe bis jetzt noch nicht gelernt, wie man einen Vampir tötet. Sie kommen immer wieder. Ständig Dracula-Filme anzuschauen bringt wohl doch nicht so viel.«
»Rafael und sein Bruder Nicolas stammen ursprünglich aus den Karpaten. Vielleicht finden Sie dort Hilfe«, meinte Colby. »Nicolas hat mir erzählt, man müsse sie anzünden. Es war ziemlich eklig. Er hat gesagt, dass sie diesen Kreaturen das Herz aus der Brust reißen und es auch verbrennen.«
Natalya richtete sich langsam auf. »Ich wünschte, ich hätte nicht gefragt.« Sie schaute Colby an. »Kommen Sie wirklich damit klar ? Werden Sie damit fertig? Für mich war es schwer, und ich möchte nicht, dass Sie sich so allein fühlen, wie ich es war.«
»Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung. Rafael spricht von einer Umwandlung.«
Natalyas Miene verdüsterte sich. »Er will sie zu einer von denen machen? Können sie das? Ich weiß, dass Vampire im Allgemeinen töten. Frauen behalten sie oft eine Weile bei sich und weiden sich an ihrer Angst, aber irgendwann töten sie sie auch. Ich habe ein paar Mal versucht, welche von ihnen zu retten, doch diese Frauen waren völlig irre. Sie wollten mich beißen und mein Blut trinken, und ich habe sogar gesehen, wie sie versucht haben, Menschenfleisch zu essen. Ich weiß nicht, Colby. Es klingt gefährlich.«
»Es fühlt sich auch gefährlich an. Ich habe Probleme mit dem Sonnenlicht, und ohne die Chevez-Brüder – sie sind mit Rafael aus Brasilien gekommen – käme ich mit der Arbeit auf der Ranch nicht mehr nach. Ich muss jetzt tagsüber schlafen.«
»Wollen Sie von ihm weg?«, fragte Natalya.
Colby seufzte schwer. Sie war den Tränen nahe. »Ich glaube nicht, dass ich das noch kann. Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich will. Ich habe große Angst, doch ich bin wie besessen von ihm. Wenn ich von ihm getrennt bin, muss ich ständig an ihn denken, bis ich das Gefühl habe, den Verstand zu verlieren.« Sie sah Natalya an. »Ich habe überhaupt keinen Appetit mehr – schon gar nicht auf Menschenfleisch.«
»Er ist kein Vampir«, bestätigte Natalya, »aber diese Jäger sind gefährlich. Er ist kein Mensch, Colby, und wie menschlich er Ihnen auch erscheinen mag, er ist trotzdem völlig anders und lebt nach ganz anderen Regeln.«
»Ich habe Angst«, gestand Colby leise. Es erstaunte sie, wie viel Furcht sie tatsächlich empfand. Rafael hatte sie vorsätzlich verführt. Er hatte einen Teil von ihr in eine Welt gebracht, über die sie nichts wusste, und er hatte einen Teil von ihr aus einer Welt geholt, die ihr vertraut war. Es war erschreckend, und trotzdem konnte sie sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Und das allein war schon beängstigend.
»Ihr könnt alle mit mir mitkommen«, bot Natalya an. »Es macht nicht viel Spaß, ganz allein herumzuziehen. Und zusammen wären wir vielleicht sicherer.«
Und ich würde dich finden. Es gibt keinen Ort, an dem ich dich nicht finden würde. Schärfe lag in Rafaels Stimme. Eine Warnung.
Colby spürte, wie es ihr kalt den Rücken hinunterlief. »Er kann mich hören.«
Natalya
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