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Verführer der Nacht

Titel: Verführer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feehan
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war immer dafür, das schwierigste Pferd zuerst dranzunehmen, und anscheinend hielt sich Paul getreulich an ihre Philosophie.
    »Hast du ihn?« Colby betrachtete das Tier, das den Kopf zurückwarf und sie bösartig fixierte. Sie versuchte, es mit geflüsterten Worten zu beschwichtigen, doch ihre normalerweise beruhigende Art zeigte bei ihm keine Wirkung.
    »Ja, ich habe ihn«, versicherte Paul.
    Colby holte tief Luft und schwang sich in den Sattel. In dem Moment, in dem ihr Körper das Leder nur berührte, explodierte das Pferd. Wütend warf es den Kopf zurück und bäumte sich mit einem lauten Wiehern auf, bevor es auf die Hinterbeine stieg. Es ließ die Vorderbeine donnernd auf den Boden krachen und wirbelte wie verrückt im Kreis herum. Colby, die noch nicht fest im Sattel saß, hatte keine Chance, sich zu halten. Wie ein Geschoss flog sie durch die Luft, krachte mit ihrem schlanken Körper in den Pfosten, rutschte ab und landete mit dem Gesicht nach unten auf der Erde.
    »Pass auf, Colby!« Pauls gellender Schrei bewirkte, dass sie instinktiv zum Zaun herumrollte und beide Arme hob, um ihren Kopf zu schützen. Der Boden bebte unter den donnernden Hufen, als sich das Pferd erneut aufbäumte und mehrmals nach Colby ausschlug. Ein geschwungener Huf erwischte sie am rechten Oberschenkel, noch während sie sich unter dem Zaun hindurchschob.
    Sofort war das Echo von zwei Schreien in ihrem Kopf zu hören. Rafael. Seine Stimme wirkte wie lindernder Balsam und war jeden Preis wert. Er war am Leben. Und Nicolas war zu hören, der sie wieder einmal ausschalt.
    Ihr Bein war völlig taub. Sie lag ganz still da und starrte in den dunstigen Himmel, während sie versuchte, ihren rasenden Puls und ihre schnellen Atemzüge in den Griff zu bekommen. Obwohl es spät am Nachmittag war, konnte sie die letzten Sonnenstrahlen brennend auf ihrer Haut spüren, und ihr Körper war immer noch bleischwer und müde. Sie hätte noch eine Stunde oder länger warten sollen, ehe sie versuchte, sich an die Arbeit zu machen.
    »O Gott, Colby!« Tränen standen in Pauls Augen, als er sich neben sie warf. »Du blutest schrecklich – sag mir, wie ich dir helfen soll. Ich weiß nicht, was zu tun ist.«
    Colby richtete sich auf und stützte sich vorsichtig auf ihren Ellbogen, um die hässliche Fleischwunde anzustarren, die ihr Bein mit Blut tränkte. Sie fluchte leise und versuchte, die Übelkeit zu unterdrücken, die in ihr aufstieg. »Ich werde es überleben, Paul, doch ich fürchte, das muss genäht werden.« Sie zog die Wundränder zusammen und zwang sich, mit beiden Händen fest draufzudrücken. »Hol ein paar Handtücher und Eiswürfel. Du wirst uns mit dem Truck in die Stadt fahren müssen. Ruf Doc Kennedy an und sag ihm, dass er uns in seiner Praxis erwarten soll – ich habe keine Lust, ins Krankenhaus zu gehen und eine astronomische Rechnung gestellt zu bekommen.« Sie stieß die Worte zwischen den Zähnen hervor. Ihr Bein war nicht mehr taub, sondern brannte und tat furchtbar weh.
    Paul rannte zum Haus. Colby war so bleich, dass sie wie ein Geist aussah. Solange er lebte, würde er nicht den Anblick ihrer zierlichen, kleinen Gestalt vergessen, die so zerbrechlich unter dem gewaltigen, rasenden Tier gewirkt hatte, das grauenhafte Geräusch, als der Huf auf Fleisch getroffen war. Er riss den Kühlschrank auf, holte Handtücher und die Autoschlüssel, tätigte hastig und völlig außer Atem den Anruf beim Arzt und war in wenigen Minuten wieder bei Colby.
    »Tut es sehr weh?«, fragte er ängstlich, während er zusah, wie sie Eis auf die Wunde legte. Bei all ihren Verletzungen hatte sie noch nie so viel Blut verloren, einen ganzen Schwall von hellrotem Blut. Colby presste ihre Hand fest auf die Wunde und biss sich vor Anstrengung auf die Unterlippe.
    Sie brachte ein schiefes Grinsen zustande und strich ihr Haar zurück, das ihr ins staubverschmierte Gesicht fiel. Die Geste hinterließ eine Blutspur an ihrer Schläfe. »Du wirst mir helfen müssen, Paul. Mein Bein ist von der Wucht des Hiebes ganz taub.« Sie biss die Zähne zusammen und wünschte, es wäre tatsächlich taub, aber das war immer noch besser, als ihm zu sagen, dass sie gleich vor Schmerzen und aufgrund des Blutverlustes das Bewusstsein verlieren würde. »Fahr den Truck hierher, damit ich einsteigen kann.«
    Colby. Ihr Name kam wie aus dem Nichts, leise und wunderschön, und umgab sie mit Wärme und Geborgenheit. Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie Rafaels zärtliche Stimme

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