Verführer der Nacht
sie konnte nichts dagegen tun. »Ich glaube, das Feuer hat irgendwie meinen Augen geschadet«, murmelte sie. »Wenn Sie nach Hause fahren, wird Rafael auch gehen. Ich hatte den Eindruck, dass beide Brüder es eilig haben, wieder von hier wegzukommen.«
Juan musterte sie eingehend, insbesondere das eigenartige Mal an ihrem Hals. »Ich fürchte, dafür ist es zu spät«, murmelte er düster. Er wirkte sehr beunruhigt und wandte den Blick, der auf einmal nachdenklich wirkte, nicht von ihrem Mal.
Colby stieß einen tiefen Seufzer aus und warf noch einen Heuballen zu den Futtertrögen, um zu verhindern, dass sie das Mal wie ein verlegener Teenager mit einer Hand zudeckte. »Sagen Sie es offen heraus, Mr. Chevez. Sie müssen sich entscheiden. Erst deuten Sie an, dass ich einen guten Einfluss auf Rafael habe, und im nächsten Moment klingt es so, als könnte er irgendwie versuchen, mir etwas anzutun. Falls Sie Grund zu der Annahme haben, dass mir von Rafael De La Cruz Gefahr droht, können Sie es mir ruhig erzählen.« Sie heftete ihren Blick auf sein Gesicht. »Ich habe keine Angst vor ihm.« Das war eine faustdicke Lüge, doch sie ließ nicht locker, weil sie Juan dazu bringen wollte, mit der Sprache herauszurücken. »Hat er mich in irgendeiner Weise bedroht? Glauben Sie, dass er für den Brand verantwortlich ist?« Sie hätte ihn gern herausfordernd angeblitzt, doch ihre Augen waren zu verschwollen. Und sie war müde. Ihre Arme und Beine fühlten sich wie Blei an. Am liebsten hätte sie sich ins Heu gelegt und geschlafen.
»So etwas würde Don Rafael nie tun.« Allein die Vorstellung schien Juan zu schockieren. Aber er sah nicht schockiert aus, sondern besorgt. »Ich glaube, wir sollten umkehren. Es geht Ihnen gar nicht gut.«
Sie wollte protestieren, doch sie fühlte sich wirklich schrecklich elend. Schon bildeten sich Blasen auf ihrem Gesicht und ihren Unterarmen, und ihre Augen fühlten sich an, als würden glühend heiße Nadeln in sie hineingestochen. Selbst in der Scheune spürte sie das aggressive Sonnenlicht, das draußen auf sie lauerte. Und noch dazu musste sie ständig an Rafael denken. Er beherrschte ihr Denken, bis praktisch alles andere daraus verdrängt wurde. So stark ihr Wille auch war, sie schien nicht aufhören zu können, an ihn zu denken und sich nach ihm zu sehnen. Colby hatte sich nie als Frau gesehen, die einen Mann so sehr brauchte, dass sie sich förmlich nach ihm verzehrte, aber jetzt wünschte sie sich verzweifelt, sie könnte seine Stimme hören, ihn anfassen, mit eigenen Augen sehen, dass er gesund und unversehrt war.
»Bitte, Senhorita, die Sonne verbrennt Ihre Haut. Ich mache mir große Sorgen. Vielleicht kann ich Sie zum Haus zurückbringen.« Obwohl Juan versuchte, höflich zu klingen, war er fest entschlossen, Colby nach Hause zu bringen. Er konnte sehen, dass sie furchtbar litt, und wenn ihr irgendetwas zustieß, würde Rafael ihn dafür verantwortlich machen. Er war sehr beunruhigt. Colbys Haut bekam in der Sonne Blasen, und ihre Augen reagierten sehr empfindlich auf Licht. Fast genauso war es bei den Brüdern De La Cruz. Bei einem Menschen hatte Juan dieses Phänomen noch nie erlebt, und es verstörte ihn, das zu sehen. Er musste unbedingt mit Julio reden.
»Ich sollte nach den Kindern sehen«, gab Colby nach, »und den Tierarzt anrufen, damit er sich die Pferde noch mal anschaut.« Sie sehnte sich nach den kühlen Räumen der Ranch. Sie sehnte sich danach, Paul und Ginny in die Arme zu nehmen und alles wieder wie früher zu haben. Aber am meisten sehnte sie sich danach, Rafael zu sehen. Ihn anzufassen und zu wissen, dass er am Leben war. Wo bist du ?
Rafael lag tief in der Erde eingeschlossen. Das verjüngende Erdreich heilte die furchtbaren Verbrennungen auf seinen Armen und im Gesicht, wo ihn die erbarmungslosen Sonnenstrahlen getroffen hatten. Er hatte es nicht über sich gebracht, Colby zu verlassen, ehe er sich vergewissert hatte, dass keine Gefahr mehr für sie bestand, und war deshalb viel länger im Tageslicht geblieben als je zuvor. Obwohl er jetzt in der Erde lag, brannten und tränten seine Augen immer noch. Trotz der dichten Wolkendecke, die ihn vor den schlimmsten Auswirkungen geschützt hatte, hatte er einen hohen Preis bezahlt, um bei Colby sein zu können.
Warum war der Geruch des Vampirs in der Nähe des Stalls gewesen, der Brand aber trotzdem von einem Menschen gelegt worden? Benutzte der Vampir einen Handlanger, eine menschliche Marionette, um Colby zu
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