Verführer der Nacht
wirkte fast ätherisch, ein wenig geheimnisvoll und unglaublich sexy. Fast sein ganzes Leben hatte er in ihr so etwas wie eine kleine Schwester gesehen. Jetzt waren seine Gefühle Colby gegenüber ziemlich gemischt, obwohl er sie gar nicht in diesem Licht sehen wollte. Sie passten überhaupt nicht zusammen. In all den Jahren, die sie einander kannten, war ihm noch nie aufgefallen, dass sie sexy und verführerisch aussah.
Ben warf einen Blick auf den dunklen Fremden und stellte fest, dass der Mann ihn unverwandt anstarrte, aus Augen, die im schwindenden Licht seltsam glitzerten. Sie erinnerten Ben an Katzenaugen, die nachts besser als am Tag sehen konnten. Sie fixierten ihn, ohne auch nur ein einziges Mal zu blinzeln, und Ben, dem unter diesem eindringlichen Blick unbehaglich wurde, schaute weg. Rafael De La Cruz machte unmissverständlich klar, dass Colby für jeden anderen Mann tabu war. Ben traute De La Cruz nicht. Er spürte, dass sich etwas Gefährliches und Gewalttätiges hinter der glatten Fassade verbarg. Noch dazu schien De La Cruz ein Playboy zu sein, der Frauen ebenso schnell eroberte, wie er sie wieder abservierte. Colby war für kurzlebige Abenteuer nicht geschaffen. Sie war eine Frau, die sich dem Mann, den sie liebte, vollständig ausliefern würde, und Ben wollte nicht, dass Rafael De La Cruz dieser Mann war.
Er setzte seinen Hut auf. »Ich suche Paul und spreche mit Chevez, doch du, Colby, wirst deine Geschwister nicht aus den Augen lassen und schon gar nicht allein durchs Gelände streifen.«
»Ich muss eine Ranch führen, Ben«, entgegnete sie ruhig. »Ich lasse mich von niemandem terrorisieren.«
»Du sagst, Juan Chevez hat den Stier gefunden? Was hatte er auf deinem Land zu suchen?« Ben klang unbeteiligt, aber Colby ließ sich nichts vormachen, dafür kannte sie ihn viel zu lange.
»Nach dem Feuer wollte Rafael uns hier nicht allein lassen. Da er nicht bleiben konnte, bat er Juan und Julio, uns zu helfen.« Sie starrte auf ihre Hände, beschämt, ihre Schwäche eingestehen zu müssen. »Ein Glück, dass die beiden hier waren. Ich habe mich heute sehr elend gefühlt und fast den ganzen Tag geschlafen.«
»De La Cruz hat ihnen also befohlen, hierzubleiben.«
»Sie wollten bleiben, Ben. Immerhin sind sie nahe Verwandte von Paul und Ginny, und sie machen sich Sorgen um die beiden.«
Er richtete seine hellblauen Augen auf sie. »Willst du mir etwa einreden, dass Colby Jansen kein bisschen misstrauisch ist? Diese Leute tauchen aus heiterem Himmel auf, um Anspruch auf deine Geschwister und letztlich auch auf die Ranch zu erheben. Zufällig sind sie Geschäftsfreunde von deinem Nachbarn Sean Everett, dessen gesamte Crew sich genauso zufällig aus Ex-Knackis zusammensetzt. Und ziemlich genau zur selben Zeit, als sie hier eintreffen, kommt es auf deiner Ranch zu allen möglichen Unfällen. Das soll alles Zufall sein, Colby? Und jetzt findet Juan Chevez einen toten Stier, während er auf De La Cruz' Befehl auf euch aufpasst. Das kommt mir ein bisschen unglaubwürdig vor.«
»Hatten wir dieses Gespräch nicht schon einmal, nur dass ich es war, die all das zu dir gesagt hat? Du hast gemeint, ich wäre ein Dickschädel und sollte die Sache endlich hinter mich bringen. Du warst der Meinung, ich würde dummes Zeug reden, als ich versuchte, dir klarzumachen, dass die Dinge, die auf der Ranch vorgehen, keine Unfälle wären.«
»Tja, Petes Tod war jedenfalls kein Unfall, Colby, und es war auch kein Zufall, dass Chevez und Everetts Leute oben auf der Klippe waren. Oder dass Clinton Daniels und dieser Abschaum Harris zusammen mit dem Neuen, Ernie Carter, auch da draußen waren. Und jetzt kommt die Preisfrage: Was zum Teufel hattest du da allein verloren?«
»Ben« – sie legte versöhnlich eine Hand auf seinen Arm -»du willst damit doch nicht sagen, dass sich alle gegen mich verschworen haben, oder?«
Ben spürte, wie jene eigenartigen Augen ihn erneut fixierten. Er blickte nicht auf; er wusste instinktiv, dass De La Cruz sie beide beobachtete, und zwar deshalb, weil er seine Stimme erhoben hatte und weil Colby ihn anfasste. »Ich glaube, dass du in großer Gefahr bist, Colby, und damit meine ich nicht nur die Ranch. Das denke ich, und du solltest mich lieber verdammt ernst nehmen.«
»Das werde ich, Ben«, gab Colby mit einem leisen Seufzer nach. »Ich mache mir doch auch Sorgen. Ich weiß nicht, was ich glauben soll, doch ich will auf keinen Fall, dass Paul oder Ginny etwas passiert. Ich verspreche
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