Verführer der Nacht
Tanya. Ginny und ich fangen mit der Reitstunde an, und wenn Colby fertig ist, kommt sie zu uns. Ist das für dich in Ordnung?« Er setzte sein unwiderstehliches Lächeln auf.
Colby schüttelte den Kopf. Rafael erweckte bewusst den Eindruck, als gehörte er dazu, als wäre er ein Teil ihrer Familie. Ben packte sie ziemlich grob am Arm, um sie wieder auf sich aufmerksam zu machen. Colby zuckte zusammen und starrte ihn an wie jemand, der gerade aus einem Traum erwacht.
Ein leises, warnendes Knurren vibrierte in der Luft, sodass die Pferde unruhig mit den Hufen scharrten und die Erwachsenen sich vorsichtig umschauten. Sie konnten es alle hören, aber die meisten dachten, es wäre Ginnys Hund gewesen, der sie aufmerksam anschaute. Colby wusste es besser. Sie schob sich die Haare hinter die Ohren und warf Rafael verstohlen einen warnenden Blick zu. »Komm auf die Veranda, Ben. Magst du vielleicht einen Kaffee?«
Er stieg die fünf Stufen nach oben, dann explodierte er. »Willst du mir vielleicht verraten, was zum Teufel da eben los war?«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Wovon redest du?«
»Bevor du die kleine Szene auf der Veranda leugnest, Colby, solltest du vielleicht lieber einen Blick in den Spiegel werfen und dir deinen Hals anschauen. Du hast dich praktisch auf den Kerl gestürzt!«
Colby biss sich auf die Lippe, um nicht in Lachen auszubrechen. Und wenn sie nicht lachte, würde sie womöglich weinen. Ihr Verhalten, was Rafael anging, war völlig untypisch für sie. Sie wusste es so gut wie Ben. »Keineswegs. Zufällig hat er sich auf mich gestürzt«, korrigierte sie ihn. Sie war vielleicht nicht die schönste Frau in der Stadt, doch das hieß noch lange nicht, dass Rafael sich nicht zu ihr hingezogen fühlen könnte. »So seltsam es dir auch erscheinen mag, Ben, manche Männer finden mich attraktiv. Ich muss sie nicht immer attackieren.«
»Das sieht dir wieder mal ähnlich, den falschen Mann auszusuchen. Ein Mann wie Rafael De La Cruz verschlingt dich mit Haut und Haaren und spuckt dich wieder aus ! Du spielst mit dem Feuer. Das kannst du mit einem wie ihm nicht machen. Verdammt, Colby, warum nimmst du dir nicht einen anständigen Kerl wie Joe Vargas?«
»Joe Vargas ! Pah ! Was habt ihr bloß alle mit Joe Vargas ? Er würde es hassen, mit mir verheiratet zu sein.«
»Das würde jeder, der halbwegs bei Verstand ist.« Ben zog sie tiefer in den Schatten der Veranda, packte sie an den Oberarmen und schüttelte sie leicht. »Geht es um Geld? Was führst du im Schilde?«
»Lass mich los, Ben, du tust mir weh.« Colby versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. »Du vergisst ständig, wie verdammt stark du bist.«
»Lassen Sie sie sofort los.« Die Stimme war sehr leise und sehr bedrohlich und bösartig wie ein Peitschenhieb. Colby hatte so etwas noch nie zuvor gehört. Ohne dass sie gewusst hätte, wie, hatte Rafael den ganzen Hof überquert und verschmolz jetzt mit den Schatten, sodass seine große Gestalt kaum zu erkennen war, aber seine dunklen Augen glühten in der Dunkelheit fast vor Zorn.
Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, und ihre Hand legte sich schützend an ihren Hals. Rafael wirkte erbarmungslos wie ein Raubtier. In diesem Moment sah er kaum noch menschlich aus, sondern eher animalisch – gefährlich und ungezähmt.
Ben ließ die Arme sinken und langte automatisch nach seiner Waffe, aber Colby stellte sich energisch zwischen die beiden Männer. »Ich kenne Ben, seit ich drei Jahre alt war, Rafael. Er ist wie ein Bruder für mich. Ben würde mir nie etwas tun, nie. Das hat jetzt wahrscheinlich ausgesehen, als würde er grob werden, doch so war es nicht, überhaupt nicht. Er wollte nur ...« Ihre Stimme schwankte, und das Herz schlug ihr bis in die Kehle. Das Gefühl einer Gefahr, einer tödlichen Gefahr, war so stark, dass sie einen Moment lang Angst um Ben hatte.
Rafael bewegte sich als Erster wieder, indem er seine Hand nach ihr ausstreckte, sie sanft am Handgelenk nahm und an sich zog. »Dann muss ich mich für meine Unkenntnis der Beziehungen zwischen Männern und Frauen in anderen Ländern entschuldigen.« Seine Arme legten sich um ihre schlanke Gestalt und zogen sie schützend an seine Brust. Ganz ruhig, meu amor, dein Herz schlägt viel zu schnell. Horche auf den Rhythmus meines Herzschlags.
Ben beobachtete schweigend, wie sich der andere Mann besitzergreifend über Colby beugte. Er schien sie mit seinem Körper abzuschirmen, und seine Hände wirkten trotz seiner
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