Verführer der Nacht
ungeheuren Kraft sehr sanft und behutsam. Rafael strahlte die Macht und die Arroganz eines Mannes aus, der es seit langer Zeit gewohnt war, andere mit unangefochtener Autorität zu befehligen. Er wirkte wie jemand, der immer seinen Willen bekam, und Ben konnte klar und deutlich erkennen, dass Rafael De La Cruz Colby Jansen wollte. De La Cruz war ein Mann, kein Junge, und neben ihm sah Colby sehr jung und verletzlich aus. Sie wirkte ein bisschen verängstigt und sehr verwirrt in dieser Situation, der sie nicht gewachsen war. Und einem Mann wie Rafael De La Cruz hatte sie nichts entgegenzusetzen, das wusste Ben, denn er kannte sie gut.
»Ich würde Colby nie etwas tun«, sagte Ben ruhig. »Wir sind alte Freunde, und ich schätze, ich bin es gewohnt, sie ein bisschen rau anzupacken.«
Rafael lächelte und zeigte seine strahlend weißen Zähne. Sein Lächeln wirkte nicht versöhnlich, sondern warnend. »Vielleicht ist sie für so etwas allmählich zu alt.« Seine Stimme war sanfter denn je und ließ Colbys Puls sofort wieder rasen. Rafael klang absolut tödlich.
Colby holte tief Luft und ließ ihren Atem langsam entweichen. Sie war entschlossen, die Situation wieder in den Griff zu bekommen. »Danke, dass du so besorgt um mich bist, Rafael, aber wie du siehst, geht es mir blendend. Ich habe wirklich einiges mit Ben zu besprechen. Wenn du uns also entschuldigen würdest... «
Rafael verbeugte sich mit jener Eleganz der alten Welt, die es im modernen Leben schon lange nicht mehr gab. Seine eiskalten, schwarzen Augen ruhten unverwandt auf Ben. Der Sheriff beobachtete, wie sich der Mann vorbeugte, um einen Kuss auf Colbys Scheitel zu hauchen, bevor er sich wieder entfernte, um zu Ginny und den Everetts zurückzugehen.
Ben starrte Colby an. Seine Miene war sehr ernst. »Du musst verrückt sein, wenn du dir einbildest, dass du mit dem Kerl fertig wirst. Er ist gefährlich, Colby. Er hätte mir am liebsten mit bloßen Händen das Herz aus der Brust gerissen. Du solltest wirklich klüger sein, als dich mit jemandem wie ihm einzulassen.«
Colby schaute ihn fast hilflos an. Sie wusste nicht, ob sie sich mit Rafael eingelassen hatte. Wenn er in der Nähe war, schien ihr ganzes Leben aus dem Ruder zu laufen. Sie schüttelte den Kopf und ließ sich auf die Verandaschaukel sinken. Ihre Knie waren auf einmal wie aus Gummi. »Ich weiß nicht, was mit mir oder der Ranch passiert. Im Moment geht einfach alles drunter und drüber, Ben.«
Zum ersten Mal, seit er sie kannte, hörte sich Colby sehr verloren an. Ben hockte sich sofort neben die Schaukel und legte tröstend eine Hand auf ihr Knie. »Hör gut zu, Süße. Du hast es nicht nötig, deine Seele zu verkaufen. Falls du Geld brauchst, ich habe welches. Nicht viel, nur ein paar Ersparnisse.« Er holte tief Luft und setzte tapfer eine unbewegte Miene auf, als er das höchste aller Opfer brachte. »Und zum Teufel, wenn du mich deshalb heiraten musst, ist das meinetwegen okay.«
Colby starrte ihn ganze fünf Sekunden an, bevor sie beide Arme um seinen Hals warf und ihn stürmisch umarmte. »Was würde ich ohne dich bloß machen, Ben?«
Rafael, der das Gespräch mit anhörte, spürte, wie sein Blut mit solcher Gewalt durch seinen Körper schoss, dass er sich versteifte, um zu verhindern, dass der Dämon durchbrach. Sein Bruder regte sich in seinem Bewusstsein und suchte nach der Ursache für die rasende Wut. Rafael starrte auf die Hand, die auf Colbys Knie lag, sah, wie sie sich dem anderen an den Hals warf, hörte ihr leises Lachen und erlebte die unbefangene Kameradschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die einander schon sehr lange kannten.
Er spürte, wie sich der Dämon in ihm erhob, und fühlte die bestialische Reaktion unter dem dünnen Anstrich von Zivilisation, den er sich so mühsam zugelegt hatte. Seine Eckzähne wurden lang und spitz, und seine Augen glühten. Ein roter Schleier schien sein Denken einzuhüllen.
Ruf nach ihr! Es war Nicolas, ruhig und autoritär. Die Stimme der Vernunft, wenn wie jetzt der dunkle Ruf seiner Natur laut wurde. Rafael. Nicolas nannte bewusst den Namen seines Bruders, um ihn vom Rand der Katastrophe zurückzuholen. Du musst sie sofort zu dir rufen !
Das Tier in seinem Inneren konnte sehen, wie sein Rivale seine Gefährtin umarmte. Rafael hatte sie noch nicht endgültig aneinander gebunden, weil er die Folgen für Colby fürchtete, und jetzt hatte ihn das Tier fest im Griff.
Ruf sie. Es war der kühle Wind der Vernunft, der ihn
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