Verführer oder Gentleman? (German Edition)
verloren. Verzweifelt umklammerte er ihre Hände.
Dann zog er Juliet auf die Beine und schaute ihr beschwörend in die Augen. „Glaub mir, ich habe die Miniaturen nicht gestohlen. Wenn man mir auch einiges nachsagen kann – ich bin kein Dieb.“
„Das weiß ich. So etwas Schreckliches würdest du niemals tun.“
„Oh, wie bösartig und gehässig muss diese Miss Howard sein!“
„Ja, da hast du recht, Robby. Sie ärgerte sich ganz furchtbar, weil Sir Charles Sedgwick mich mehrmals in der Bibliothek besuchte, obwohl ich ihn immer wieder wegschickte. Diesen Mann will sie heiraten. Anscheinend sah sie eine Rivalin in mir, was völlig lächerlich ist.“
„Und ihre Rache, die falsche Anklage gegen mich, könnte mich an den Galgen bringen.“
„O nein …“ Juliet erblasste. „Dazu wird es nicht kommen.“
„Ich fahre nach Essex und rede mit dem Duke.“
Erschrocken schüttelte sie den Kopf. „Dort würde man dich womöglich sofort verhaften.“
„Falls er glaubt, ich hätte sein Eigentum gestohlen, lande ich so oder so im Gefängnis. Wie soll ich dann meine Unschuld beweisen? Sicher ist es besser, wenn ich die Initiative ergreife.“
„Soviel ich gehört habe, wird der Duke morgen nach London fahren. Er besitzt ein Haus in Mayfair. Wo genau, weiß ich nicht. Aber da er eine so wichtige Persönlichkeit ist, wirst du das mühelos herausfinden.“
„Gut, ich gehe morgen zu ihm. Und du, Juliet? Was wirst du jetzt unternehmen? Ohne Arbeit? Ohne Aussicht auf eine neue Stellung? Und wo wirst du wohnen?“
„Bevor mein Geld zur Neige geht, muss ich Arbeit finden“, seufzte sie. „Vom Duke kann ich keine Referenzen erwarten. Und die will ich auch gar nicht. Also werde ich mich an Sir John wenden. Nur zu gern wird er mir wieder ein Empfehlungsschreiben geben. In der Zwischenzeit möchte ich meinen Großvater besuchen. Keine Ahnung, was dabei herauskommen wird … Jedenfalls muss ich es tun. Da ich ihm noch nie begegnet bin, plane ich keine familiäre Vereinigung. Ich will nur hören, was er zu sagen hat. Danach suche ich mir eine Stellung – irgendwo außerhalb von London. Vielleicht kehre ich sogar nach Bath zurück. Dort habe ich einige Freundinnen.“
Robby nickte überrascht. „Freut mich, dass du dich doch noch entschlossen hast, den alten Mann kennenzulernen! Das beruhigt mich. Obwohl er eine Versöhnung mit deiner Mutter ablehnte, sagte sie nie ein böses Wort über ihn. Stattdessen betonte sie stets, er sei ein guter, vernünftiger, gerechter Mensch.“
„Das war er wohl kaum, als sie unseren Vater heiraten wollte, einen nicht besonders gut situierten Witwer mit einem Kind – das warst du, Robby. Nichts hatte er ihr zu bieten, zumindest nicht den Lebensstil, an den sie gewöhnt war. Aber die beiden liebten sich, mehr brauchten sie nicht. In der kurzen gemeinsamen Zeit waren sie überglücklich. Was sie einander bedeuteten, merkte jeder, der sie zusammen sah.“ Juliet seufzte wieder. Wehmütig starrte sie ins Leere. „So etwas ist nicht allzu vielen Ehepaaren vergönnt. Und ich selbst werde mich niemals mit weniger begnügen.“
Forschend schaute Robby sie an und entdeckte eine seltsame Trauer, ein tiefes Bedauern in ihren schönen dunklen Augen – sogar eine Spur von Tränen. „He!“, murmelte er sanft, einen Finger unter ihrem Kinn. „Was bedrückt dich denn? Hättest du die letzten Wochen nicht in ländlicher Abgeschiedenheit verbracht, würde ich vermuten, du wärst jemandem begegnet, der dir gefällt. Hast du dein Herz verloren?“
Einige Sekunden lang blickte sie auf ihre Hände hinab. Als sie ihr Schweigen brach, klang ihre Stimme ruhig und beherrscht. „Sei nicht albern. Robby. So bin ich nicht, das weißt du. Für törichte Träume fehlt mir die Zeit.“
„Was?“, hänselte er sie leichthin. „Sogar, wenn dir der überaus hübsche, charmante Sir Charles Sedgwick seine Aufmerksamkeit schenkt?“
Ärgerlich errötete sie. „Sogar dann! Wie ich bereits erwähnte, soll er Miss Howard heiraten. Außerdem hat der Duke seine Besuche in der Bibliothek missbilligt, weil ich dadurch von der Arbeit abgelenkt wurde.“
Robby versteifte sich plötzlich. Mit schmalen Augen starrte er sie an. „Ah, der Duke? Seine Schwäche für hübsche Gesichter ist nur zu bekannt. Irgendwie gewinne ich den Eindruck, er hätte dich selber gern abgelenkt. Stimmt das, Juliet?“
Erschrocken versuchte sie sich zusammenzureißen. Vor lauter Erschöpfung hatte sie offenbar nicht auf ihre Miene
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