Verführerische Maskerade
spannte. Niemand war besser geeignet als er, sich um das Nachrichtenwesen zu kümmern. »Wo haben Sie ihn sonst noch gesucht?«
»Bis jetzt nirgendwo. Ich dachte, ich sollte mich besser erkundigen, ob Sie Bescheid wissen, bevor ich die nächsten Schritte einleite. Sie sind der Mann, der alle Fäden in der Hand hält.« Er schenkte sich noch einen Wodka ein und kippte ihn mit derselben geschickten Drehung des Handgelenks in seine Kehle wie schon zuvor.
»Nein, ich weiß nichts. Ich schlage vor, dass wir unsere Suche ausweiten. Ich werde die Ausländer unter seinen Bekanntschaften aufsuchen, die Engländer und Franzosen. Sie übernehmen die Russen. Wenn wir dann immer noch blank ziehen, müssen wir uns ernsthaft Sorgen machen.«
»Sehr gut.« Tatarinov schob seinen Stuhl zurück. »Danke für das Frühstück, Prinz. Ist doch was anderes als der Dreck, den man sonst in dieser gottverlassenen Stadt serviert.« Er schluckte den Rest Wodka.
»Noch eins, Tatarinov.«
»Ja?« Mit dem Glas in der Hand hielt er inne.
»Falls Sperskov nicht auftaucht … was, glauben Sie, könnte ihm dann zugestoßen sein?« Alex warf die Serviette auf den Tisch.
Tatarinov schüttelte den Kopf. »Ich sehe nur eine Möglichkeit … Arakcheyevs Männer.«
»Ich hatte angenommen, dass Sie die Kerle unter Kontrolle haben«, entgegnete Alex scharf.
»Ja, das habe ich auch. Aber ich kann sie nicht Tag und Nacht überwachen. Ich kann auch nicht jede Nachricht kontrollieren, die sie erhalten. Sie können sicher sein, dass Arakcheyev jedes Mitglied unserer Truppe kennt, außer …« Er brach ab und funkelte Alex aus seinen schwarzen Augen an. »Außer Ihnen, Prinz. Sie sind der Freund des Zaren. Sie observieren das Geschehen in England und erstatten ihm Bericht.«
»Wie wahr«, stimmte Alex zu und verspürte ein seltsames Prickeln in seinem Nacken. »Was wollen Sie damit sagen, Tatarinov?«
»Im Augenblick nichts. Und so Gott will, gibt es auch in Zukunft nichts zu sagen«, behauptete sein Gast und eilte zur Tür. »Besprechen wir uns heute Nachmittag?«
Alex nickte. »Um fünf Uhr. Am Black Cock in der Dean Street.«
»Ich werde dort sein.«
Alex blieb noch eine Weile am Tisch sitzen, nachdem sein Besuch verschwunden war. Es gab keinen Grund, Arakcheyev zu verdächtigen, dass er bei Sperskovs mysteriösem Verschwinden seine Finger im Spiel hatte. Aber trotzdem war es ein beunruhigender Gedanke.
Ein Gedanke, der ihm bei der Lösung seines anderen Problems nicht helfen konnte. Sollte er Livia aufsuchen? Noch einmal versuchen, die Wunde zu heilen? Oder fuhr er besser, wenn er sie für eine Weile in Ruhe ließ? Wenn ihr Ärger und die Wut erst einmal verflogen waren, würde sie die Dinge vielleicht in einem weicheren Licht sehen. Auf keinen Fall konnte er den Bedingungen entsprechen, die sie gestellt hatte. Es wäre also nichts geholfen, wenn er wieder einen Streit vom Zaun brach. Wenn er ihr ein wenig Zeit ließ, würde sie sich besänftigen. Und dann würde er ihr eine Halbwahrheit auftischen, mit der sie sich zufriedengab. Aber schon der Gedanke hinterließ einen unguten Geschmack in seinem Mund. In seiner Ehe hatte es genügend Halbwahrheiten und feiste Lügen gegeben. Damit musste Schluss sein.
22
L ivia traf kurz nach elf Uhr in der Mount Street ein, ohne ihrem Mann noch einmal zu begegnen. Boris hatte ihr berichtet, dass der Prinz nach seinem Pferd verlangt und bald nach dem Frühstück das Haus verlassen hatte, ohne anzukündigen, wann er zurückkehren würde. Umso besser, überlegte Livia, denn sie brauchte Zeit zum Nachdenken. Wenn sie ihn das nächste Mal sah, würde sie ihn mit ihren Entscheidungen konfrontieren müssen.
»Ist Lady Bonham zu Hause?«, fragte Livia den Butler.
»Ja, Ma’am. Die Ladys halten sich in ihrem Salon auf«, meinte Hector.
»Gut. Ich denke, ich werde eine Weile hierbleiben. Mein Bursche ist mit dem Pferd schon zu den Ställen unterwegs.«
»Sehr wohl, Mylady.« Hector verbeugte sich und begleitete sie zum Salon.
»Oh, Liv, du bist es.« Cornelia saß am Schreibtisch und erhob sich. »Ich war gerade dabei, dir eine Nachricht zu schreiben. Wir waren uns nicht einig, ob du heute Vormittag von selbst bei uns auftauchen würdest, oder ob wir nach dir schicken lassen müssen.«
»Ja. Und weil wir uns nicht einig waren, haben wir beschlossen, dass es das Beste ist, wenn wir dir eine Nachricht schicken. Wir wollten wissen, was dir lieber ist«, meinte Aurelia, legte ihren Stickrahmen beiseite und erhob
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