Verführerische Maskerade
sich. Sorgfältig ließ sie den Blick über ihre Freundin schweifen. »Du siehst nicht besonders gut aus, meine Liebe.«
»Ich fühle mich auch nicht besonders gut.« Livia lächelte schwach und nahm sich den gefiederten Hut vom Kopf. »Wie froh ich bin, dass ihr beide zu Hause seid.«
»Wir würden nirgendwo hingehen, ohne dich zu benachrichtigen«, entgegnete Cornelia, »außerdem hatten wir gehofft, dass du dich an uns wendest, wenn du Hilfe brauchst.« Sie musterte Livia ebenfalls besorgt. »Du Ärmste, dir muss es wirklich schlecht ergangen sein. Komm her und setz dich.«
Livia schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Ich bin zu unruhig, um stillzusitzen.« Nervös schritt sie in dem eleganten Salon hin und her und schwieg, während ihre Freundinnen geduldig darauf warteten, dass sie zur Ruhe kam.
Sie befand sich in der Zwickmühle. Mehr als je zuvor war sie auf den Rat ihrer Freundinnen angewiesen. Aber wie sollte sie ihr Versprechen einhalten, niemandem etwas von der Arbeit zu verraten, die Alex nach London geführt hatte? Natürlich vertraute sie ihren Freundinnen blindlings. Aber sie vergaß auch nicht, dass Nell mit einem Angehörigen des britischen Geheimdienstes verheiratet war. Sie durfte sich auf keinen Fall in die Lage manövrieren, zwei gegnerischen Seiten gleichzeitig Wort halten zu müssen. Also musste sie es fertigbringen, einerseits ihre Freundinnen um Rat zu bitten, andererseits aber selbst die richtigen Schlüsse zu ziehen - ohne die Wahrheit zu offenbaren, die sich hinter Alex’ Lügen und Täuschungen verbarg. Und sosehr es sie auch belastete, dass er gegen ihr eigenes Land arbeitete - wenn sie gründlich nachdachte, begriff sie sehr gut, dass er sich in den Dienst seiner Heimat stellte.
»Alexis Prokov war Alex’ Vater, wie ihr vermutlich schon erraten habt«, begann sie leise, »und wie der Zufall es will, war Sophia Lacey seine Mutter.«
»Warum hat er dir das nicht von Anfang an gesagt?«, fragte Cornelia stirnrunzelnd. »Nachdem er dir das erste Mal begegnet war und festgestellt hatte, dass du denselben Nachnamen wie seine Mutter trägst, wäre es doch nur natürlich gewesen, dass er über den merkwürdigen Zufall stolpert.«
»Abgesehen davon wusste er, dass es kein Zufall war«, widersprach Livia und seufzte unverhohlen. »Denn er hat seine Mutter nicht gekannt. Kannst du dir vorstellen, wie schrecklich das für ein Kind sein muss? Er wusste, dass sie lebt und dass es ihr gut geht. Aber es war ihm verboten, sie kennen zu lernen. Er musste davon überzeugt sein, dass sie nichts von ihm wissen wollte.«
»Das erklärt, warum er nie ein Wort über sie verloren hat«, meinte Aurelia vorsichtig.
»Ja«, bestätigte Livia, »aber es gibt noch etwas, was nicht einfach zu erklären ist. Sophia Lacey war nicht die Eigentümerin des Hauses am Cavendish Square. Es kann sein, dass sie es tatsächlich nicht gewusst hat. Oder sie wusste es und hat es für viele Jahre schlicht vergessen. Alex’ Vater hatte ihr lebenslanges Wohnrecht gewährt. Nach ihrem Tod ist das Haus wieder seinen Ländereien zugeschlagen worden. Und ihr könnt euch denken, wer der Erbe dieser Ländereien ist.«
Livias Freundinnen schwiegen erschrocken.
Aurelia dachte lange nach und ergriff dann wieder das Wort. »Er hätte dich nicht heiraten müssen, um das Haus in die Finger zu bekommen. Er hätte dich auch ganz einfach fortjagen können.«
Livia zuckte die Schultern. »Alex behauptet, dass er dazu keinen Grund gesehen hat. Weil er vorher schon beschlossen hatte, dass ich eine perfekte Ehefrau abgeben würde. So hat er nur darauf geachtet, dass das Haus in den Ehevertrag aufgenommen wird.«
»Es wäre ehrlicher gewesen, wenn er bei seinem Heiratsantrag die Karten offen auf den Tisch gelegt hätte«, warf Cornelia ein, »aber vielleicht wollte er nicht unsensibel sein.«
»Ja«, bekräftigte Aurelia rasch, »bestimmt kam er sich schäbig vor, dir einen Heiratsantrag zu machen und im nächsten Augenblick zu erklären, dass du bereits in seinem Haus wohnst.«
Es macht keinen Sinn, dachte Livia in einem Anflug von Verzweiflung, mit ihnen zu reden, ohne die ganze Wahrheit zu offenbaren. Sonst werde ich niemals erfahren, wie die beiden über die Angelegenheit denken. Jedenfalls nicht so, dass ich daraus meine eigenen Schlüsse ziehen kann.
»Vermutlich hast du Recht«, gestand sie ein, »aber trotzdem fühle ich mich betrogen. Und ich muss mich fragen, ob diese Wirbelwindromanze nicht doch etwas damit tun hat, dass er
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