Verführerische Maskerade
Prophezeiung, dass wir morgen einen wundervoll sonnigen Tag genießen werden. Wir sollten ihn nutzen. Zu dieser Jahreszeit kann man das Wetter nur schwer einschätzen«, erklärte er mit ernster Miene.
»Sie sind unverbesserlich«, meinte Livia.
»Ja. Das gehört zu den angenehmeren Seiten meines Wesens«, stimmte er lachend zu, »und jetzt verraten Sie mir doch, wie die Stute heißen soll.«
»Sie gehört mir nicht. Warum sollte ausgerechnet ich ihr einen Namen geben?«, fragte Livia.
»Weil ich leider ziemlich einfallslos bin«, seufzte er, »bestimmt würde ich sie Silver nennen oder so. Sie würden mir und dem Pferd einen Gefallen tun, wenn Sie sich um den Namen kümmern würden. Es ist überaus bedeutsam, wie ein Pferd heißt.«
Wieder hat er mich in den Bann geschlagen, grübelte Livia. »Das kann ich nicht abstreiten.« Sie gab auf, denn jeder Widerstand schien zwecklos. »Aber ich brauche ein wenig Zeit, um darüber nachzudenken.«
»Dann wird sie vorerst ohne Namen bleiben. Sollen wir jetzt zum Cavendish Square zurückreiten, oder möchten Sie noch eine Runde drehen?«
»Zurück zum Cavendish Square«, erklärte Livia entschlossen. Denn sie fühlte sich, als wäre gerade eine Dampfmaschine über sie hinweggerollt. An wem sollte es liegen, wenn nicht an Prinz Prokov? Livia brauchte dringend Zeit, um tief durchzuatmen, und sie musste gründlich nachdenken.
»Wie Sie wünschen«, stimmte er lächelnd zu.
Vor dem Haus stieg er ab und hielt ihr die Hand entgegen, damit sie aus dem Sattel gleiten konnte. Dabei umklammerte er ihre Finger ein paar Sekunden länger, als es streng genommen nötig gewesen wäre, führte sie dann an seine Lippen und küsste sie hauchzart. »Dann bis morgen, Livia«, flüsterte er und hielt ihren Blick fest.
Livia nickte. »Um zehn Uhr.« Sie wollte ihre Hand fortziehen. Aber für den Bruchteil einer Sekunde drückte er sie fester, ließ sie dann lächelnd los und begleitete sie die Treppe hinauf zur Tür.
Seltsame Gefühle durchströmten Livia. Irgendetwas in seinen blauen Augen hatte sie aufgestört. Es lag eine Ruchlosigkeit in seinem Blick, eine Entschlossenheit, die nicht recht zu seinen spielerischen Flirts und seinen ausgefallenen Komplimenten zu passen schien. Nein, er spielt kein Spiel, dachte sie plötzlich überzeugt, die Angelegenheit ist verdammt ernst. Und je schneller sie erfuhr, was eigentlich los war, desto besser für sie.
Alex klopfte heftig, wartete, bis die Tür geöffnet wurde, und verabschiedete sich dann von Livia. Er lächelte sie an, aber der Glanz in seinem Blick, der sie verzaubert hatte, war inzwischen verschwunden. »Ich zähle die Minuten bis morgen, meine verehrte Livia.«
Livia sagte nichts, sondern lächelte nur zum Abschied, bevor sie rasch eintrat. Sie war froh, dass sie sich wieder in ihren eigenen vier Wänden befand - hinter sicheren Mauern in einer Welt, in der sie genau begriff, was gerade gespielt wurde.
Nachdenklich eilte Alex die Treppen hinunter, stieg auf sein Pferd und ließ den Blick über das Gebäude schweifen. Es blieb ihm viel zu wenig Zeit, um die Zitadelle zu erstürmen. Wenn der Zeitpunkt gekommen war, dass der Botschafter abberufen wurde, musste er sich sicher auf dem gesellschaftlichen Parkett bewegen können. Es reichte nicht, wenn nur die leichtsinnigen Londoner Junggesellen ihn akzeptierten; er musste ebenso bei Hofe angesehen sein, bei den einflussreichen Damen und ihren Ehemännern, bei den Diplomaten und Politikern. Natürlich würde er dann noch nicht verheiratet sein. Aber es gäbe eine respektable Verlobte an seiner Seite und einen Hochzeitstermin in naher Zukunft, der ihm die letzten Türen öffnen würde.
Er hatte sich für eine Taktik entschieden, mit der er sein Ziel innerhalb kürzester Zeit zu erreichen hoffte. Seine nicht unbeträchtlichen Erfahrungen mit Frauen hatten ihn in seiner Überzeugung, dass er das Spiel gewinnen würde, nur noch bestärkt. Frauen pflegten dahinzuschmelzen, wenn man ihnen mit einer Mischung aus unerschütterlicher Entschlossenheit und schmeichelnden Flirts gegenübertrat. Aber langsam beschlichen ihn Zweifel. Livia war nicht wie die Frauen, die er bisher kennen gelernt hatte. Sie hatte ihren eigenen Kopf und verstand zu streiten. Obwohl sie bereits Ende zwanzig war, war sie immer noch jungfräulich. Eigentlich hätte sie also begeistert sein sollen, dass ein akzeptabler Junggeselle sie mit Aufmerksamkeit überhäufte. Ja, sie hätte sich sogar viel eifriger um eine Ehe
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