Verführerische Maskerade
Stimme, jedes Wort, das er sprach, sogar dann, wenn er sich in der gegenüberliegenden Ecke des Zimmers aufhielt.
»Ein Glas Sherry, Livia?«, fragte Harry neben ihr. Sie zuckte zusammen.
»Danke.« Livia lächelte mechanisch, nahm das Glas. Er musterte sie aufmerksam, bevor er sich wieder zu den anderen Gästen drehte. Livia wandte sich an den Herzog, der mit größter Zufriedenheit an seinem Burgunder nippte. »Kennen Sie Prinz Prokov schon lange, Herzog Nicolai?«
»Oh, seit vielen Jahren schon«, erklärte der Herzog und nahm noch einen Schluck. Seine blassblauen Augen leuchteten ihr aus dem weinselig geröteten Gesicht entgegen, und Livia hatte den untrüglichen Eindruck, dass er insgeheim den Zollstock zückte und ihren Körper vermaß. Es kam ihr vor, als wollte er prüfen, ob sie ihm in gewisser Hinsicht genügen konnte. Plötzlich senkte sich seine Stimme, und der Mann sprach süßlich wie klebriger Sirup, während er ihr die Hand auf den Arm legte und bedeutungsvoll drückte. »Verraten Sie mir doch, verehrte Lady, wie gefällt Ihnen das Leben in der Stadt? Ich bin mir sicher, dass die jungen Männer sich vor Ihrer Tür die Köpfe einschlagen.« Er zwinkerte heftig. »Wenn ich zehn Jahre jünger wäre, würde ich mich auch unter sie mischen.«
Gelächter erfüllte den Raum, während Livia begriff, worauf er hinauswollte. Der alte Wüstling wollte erforschen, ob sie im Bett so gut war, dass die Jagd auf sie lohnte. Sie warf einen amüsierten Blick in Alex’ Richtung und wurde mit einem wissenden Lächeln belohnt.
Alex entschuldigte sich bei seinen Gastgebern, entfernte sich von Aurelia und Harry und kam zu Livia und dem Herzog. »Wie glücklich müssen Sie sein, Lady Livia, dass Sie Ihre Freunde wieder in der Stadt haben.«
»In der Tat, Prinz Prokov. Nell ist den ganzen Sommer über fort gewesen … es ist wunderbar, dass sie wieder hier ist. Alte Freunde sind durch nichts zu ersetzen, finden Sie nicht auch? Der Herzog meinte, dass er Sie schon seit vielen Jahren kennt.«
»Seit ich als zehnjähriger Junge in den Haushalt der Zarin Katharina aufgenommen worden bin«, meinte Alex, »der Großherzog Alexander ist damals gerade vier Jahre alt gewesen. Und Herzog Nicolai war ein junger Höfling.« Er lachte. »Es ist Nicolai gewesen, der meine Erziehung in … nun sagen wir … in mehr weltlichen Dingen entscheidend vorangebracht hat.«
»Oh, was für ein Unsinn«, rief der Herzog aus, »ich habe nur dafür gesorgt, dass dieser Teil Ihrer Erziehung nicht vernachlässigt wurde. Denn ich bezweifle, dass die Zarin mit derselben Sorge darauf geachtet hätte, wie sie die geistige Ausbildung betrieben hat. Dasselbe habe ich für den Großherzog getan, als er das entsprechende Alter erreicht hatte.«
»Vielleicht sollten Sie Ihre Unterhaltung besser unter vier Augen führen«, beklagte sich Livia, obwohl der flüchtige Einblick in Alex’ Vergangenheit sie überaus faszinierte.
Alex linste sie über den Rand seines Glases an. »Ich darf bezweifeln, dass Sie sonderlich überrascht sind«, bemerkte er sanft.
Livia ärgerte sich gewaltig, als sie merkte, dass ihr wieder die Röte in die Wangen stieg. Hastig nippte sie an ihrem Sherry. »Haben Sie Brüder oder Schwestern, Prinz?«
»Nein«, erwiderte er, »der Zar war mir allerdings oft so nahe wie ein Bruder. Wir haben im gleichen Schulzimmer gesessen, obwohl wir sechs Jahre auseinander sind.«
»Warum sprechen Sie in der Vergangenheitsform?«, fragte Livia neugierig. »Der Zar lebt noch. Ist er Ihnen nicht mehr so nah wie ein Bruder?«
»Jetzt ist er vor allem der Zar«, Alex’ Stimme klang distanziert, »mein Herrscher. Niemand hat das Recht, von brüderlichen Beziehungen zum Zaren von Russland zu reden, ohne dass wahre Blutsbande existieren.«
»Verstehe.« Livia runzelte die Stirn. Aus unerfindlichen Gründen hatte Alex sich innerlich zurückgezogen. Es lag auf der Hand, dass er nicht weiter über das Thema zu sprechen wünschte. Sie musterte Herzog Nicolai und bemerkte, dass er ebenfalls sehr ernst geworden war. Sein Blick irrte nicht länger warm und lasziv umher, sondern wirkte eher kühl und distanziert. Vielleicht gibt es irgendein ungeschriebenes Gesetz, dachte sie, dass den Russen befiehlt, nur bei strikt politischen Anlässen über ihren Zaren zu sprechen. Erleichtert drehte sie sich zu Cornelia, die mit einer Weinflasche auftauchte.
»Leben Sie in St. Petersburg, Prinz Prokov? Oder stammen Sie aus Moskau?«, wollte Cornelia wissen, während
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