Verführerische Maskerade
ob Alexander begreift, dass er bereits am Abgrund steht. Ich fürchte, dass er dem Palastgeflüster kein Gehör schenkt.«
Genau in diesem Augenblick lauschte Alexander erschöpft, aber höflich den Worten seiner Mutter. »Selbstverständlich werden Sie nicht zu Caulaincourts Empfang erscheinen«, verkündete sie, »ich vertraue fest darauf. Der Mann ist ein elender Emporkömmling. Genau wie der Kaiser, dem er dient.«
»Seine Ahnentafel ist tadellos, Madame«, widersprach ihr Sohn zurückhaltend.
»Das ist mehr, als sich von diesem Korsen sagen lässt«, behauptete die Zarinwitwe und wischte den Widerspruch ihres Sohnes ohne weitere Umstände beiseite. »Sie laufen Gefahr, sich zum Lakaien Napoleons degradieren zu lassen. Mir ist nicht klar, ob Sie sich dessen bewusst sind.«
Alexander seufzte. »Selbstverständlich respektiere ich Ihre Auffassung, Madame. Aber in dieser Angelegenheit muss ich meinen eigenen Weg gehen. Das Bündnis mit Frankreich wird unserem Land Ruhm und Ehre bringen.«
»Oh, dieser Korse hat Sie bereits verhext«, bemerkte die Zarinwitwe angewidert, »dringt gar nicht in Ihr Ohr, was alle Welt sich zuflüstert? Man sagt, dass Napoleon die russischen Angelegenheiten verhandelt, als wäre das Land eine französische Provinz. Und Sie als Regent seien in Wirklichkeit nichts anderes als ein unbedeutender Präfekt dieser Provinz.«
»Sollen die Leute doch sagen, was ihnen beliebt«, meinte Alexander noch immer geduldig, »dennoch bleibe ich der Zar aller Russen, Madame. Und ich werde regieren, wie ich es für richtig halte.«
Die Mutter des Zaren marschierte verärgert durch das Zimmer, und mit jedem ungeduldigen Schritt schwangen ihre reich bestickten Taftröcke um ihre Knöchel. »Und was ist mit den Verschwörungen gegen Sie?« Sie drehte sich herum, um ihn direkt anzuschauen. »Alexander, wollen Sie wirklich die Augen davor verschließen? Denken Sie an Ihren Vater … wollen Sie dem gleichen Schicksal zum Opfer fallen?«
Ihr Sohn lächelte zaghaft und schüttelte den Kopf. »Mir ist bekannt, dass die Leute sich zusammenrotten. Ich weiß Bescheid über die Intrigen, hier und in Übersee. Besonders in England. Ich fürchte mich nicht vor solchen Umtrieben. Denn ich habe meine eigenen Intrigen und Verschwörungen eingefädelt, Madame. Und ich bin überzeugt, dass meine Feinde ihnen nicht gewachsen sein werden.«
Seine Mutter schaute ihn immer noch an, hatte aber plötzlich die Brauen zusammengezogen. »Prokov hält sich in London auf«, sagte sie, »vertrauen Sie darauf, dass er die Verschwörung dort im Keim ersticken kann?«
»Madame, ist Ihnen jemand bekannt, der dafür besser geeignet wäre? Gibt es einen besseren Freund? Einen klügeren, raffinierteren?«
Die Zarin verzog nachdenklich das Gesicht. »Nein«, gestand sie kurz darauf ein, »falls in London ein Mordkomplott geschmiedet wird, wird Alex es aufdecken.«
»Exakt.« Der Zar nickte entschieden. »Und Arakcheyevs Geheimpolizei wird die Verschwörer diskret beseitigen.« Er lächelte breit und fügte hinzu: »Haben Sie Vertrauen, Madame. Es wird keine Palastrevolte geben. Ich habe meine Ohren überall. Ich weiß, was geflüstert wird, ich weiß, welche Pläne geschmiedet werden. Sie können durchaus ruhig schlafen. Im Moment rumort es nur ein wenig … ein Mordkomplott haben wir nicht zu fürchten.«
»Ich hoffe, Sie behalten Recht, mein Sohn«, bemerkte die Zarinwitwe.
»Bitte stehen Sie still, Lady Livia«, lispelte die Schneiderin, weil die Stecknadeln zwischen ihren Lippen steckten. »Letzte Woche war ich sicher, dass ich an der Taille perfekt Maß genommen hatte. Aber jetzt kommt sie mir viel zu locker vor.«
»Ich bin viel zu aufgeregt, um ordentlich essen zu können«, entschuldigte sich Livia in dem Schlafzimmer, das sie vorübergehend in der Mount Street bezogen hatte, und warf Aurelia und Cornelia einen flehenden Blick zu. Livia und Aurelia waren am Cavendish Square ausgezogen, seit die Maler, Tischler und andere Handwerker das Haus in Beschlag genommen hatten. Die drei Frauen hatten sich bis zur Hochzeit in das Anwesen der Bonhams einquartiert. »Oder seid ihr der Meinung, dass ich zu alt bin, um noch so aufgeregt zu sein?«
Aurelia schüttelte lächelnd den Kopf. »Du wirst bald heiraten, meine Liebe.«
»Um es noch deutlicher zu sagen, du bist richtig scharf auf den Bräutigam«, Cornelia lachte frech, »das reicht doch, um aufgeregt zu sein.«
»Ich muss doch sehr bitten, Ladys«, protestierte die
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