Verführerische Maskerade
Stimmen aus dem kleinen Salon rechts der Halle an sein Ohr drangen. Wie üblich tauchte sein Diener geräuschlos auf.
»Besuch, Sir«, kündigte er mit einer Verbeugung an, »Herzog Nicolai Sperskov, Graf Constantin Fedorovsky und noch jemand. Die Herren wünschten, hier auf Ihre Rückkehr zu warten.« Er nahm dem Prinzen den Ausgehumhang, den Spazierstock und die Handschuhe ab.
Alex nickte knapp. »Was trinken sie?«
»Wodka, Prinz.«
»Bringen Sie mir einen Cognac.« Alex öffnete die Tür zum Salon.
»Ah, Alex, ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass wir hier auf dich warten.« Am Kamin stand ein unförmiger Gentleman mit rosigen Wangen, der sich mit einem Wodkaglas in der Hand umdrehte. »Exzellenter Wodka. Gratuliere«, anerkennend schwenkte er das Glas, »hast du ihn aus St. Petersburg mitgebracht?«
»Ungefähr ein Dutzend Flaschen, Nicolai«, bemerkte Alexander beiläufig und auf Französisch, die Sprache, in der sich alle zu Hause fühlten. »Du kannst dir gern eine mitnehmen.«
Der Herzog zwirbelte seinen beeindruckenden rabenschwarzen Schnurrbart und strahlte. »Großzügig wie immer, mein lieber Freund.«
Alex lächelte und streckte Constantin Fedorovsky zur Begrüßung die Hand entgegen. »Constantin … ich hatte keine Ahnung, dass du dich in England aufhältst … und …« Mit fragendem Blick wandte er sich dem dritten Besucher zu.
»Alex, darf ich dir Paul Tatarinov vorstellen«, bemerkte Constantin Fedorovsky. »Wir sind vor zwei Tagen vom Hof eingetroffen.«
»Monsieur, seien Sie mir willkommen«, grüßte Alex höflich. »Ah, danke, Boris.« Sein Kammerdiener war lautlos eingetreten und brachte die Karaffe und die Kelchgläser. »Stellen Sie es hier ab.« Er deutete auf einen Konsolentisch. Der Mann gehorchte und verabschiedete sich mit mehreren Verbeugungen aus dem Zimmer.
»Inzwischen bevorzuge ich Cognac«, sagte Alex und füllte den Schwenker. »Darf ich noch jemanden verführen?«
»Nein, nein, vielen Dank … Wodka ist in Ordnung«, lehnte Constantin freundlich ab und hob das Glas, um die klare Flüssigkeit im Glas zu betrachten. »Dieser ist weich wie Samt. Nicolai hat vollkommen Recht.«
»Du sollst auch eine Flasche bekommen«, bot Alexander an und machte es sich in dem Sessel am Kamin bequem. Mit übergeschlagenen Beinen nippte er an seinem Cognac und musterte seine Besucher ebenso aufmerksam wie höflich.
»Du fragst dich bestimmt, warum wir hier auf dich warten«, meinte der Herzog und zupfte an seinem Schnurrbart.
»Es ist mir immer ein Vergnügen, wenn meine Freunde mich besuchen«, erwiderte Alex.
Tatarinov verzog das Gesicht, eilte dann hastig zur Tür, riss sie auf und linste hinaus ins dämmrige Foyer. Ein paar Sekunden später schloss er sie und drehte sich wieder um. Sein Blick fiel auf die schweren Samtvorhänge, die dicht vor die Fenster gezogen worden waren. Entschlossen eilte der Mann hinüber, zog den Stoff wenige Zentimeter zur Seite und schaute auf die dunkle Straße hinaus.
»Tatarinov ist immer sehr vorsichtig«, murmelte Herzog Nicolai.
»Mit Bedacht, nehme ich an«, erwiderte Alex und musterte seinen Besucher mit leicht zusammengekniffenen Augen. »Befürchten Sie, dass wir belauscht werden könnten, Tatarinov?«
»Immer … man kann nie vorsichtig genug sein«, bestätigte der Mann. »Seit der Zar dieses verdammte Ministerium für Innere Sicherheit eingerichtet hat, treibt sich die Geheimpolizei überall herum.« Er stand nun breitbeinig direkt vor dem Kamin und schwankte so heftig, als befände er sich an Deck eines schlingernden Schiffes. Mit funkelndem Blick betrachtete er seinen Wodka.
»Nun, wenn Sie sich darüber ausgelassen haben, könnten wir vielleicht auf den Punkt kommen«, drängte Alex und nippte wieder an seinem Cognac.
»Tatarinov bringt uns beunruhigende Neuigkeiten vom Hof«, erklärte der Herzog. »Es scheint, als wären dem Zaren ein paar Gerüchte über unser kleines Unternehmen ans Ohr gedrungen.«
Alex blieb entspannt sitzen. Nur sein Blick wurde schärfer. »Kann er Namen nennen?«
Tatarinov schüttelte den Kopf. »Nicht dass ich wüsste. Nur wird ihm langsam klar, dass sich ein paar Leute in seiner Nähe aufhalten, die … wie soll ich sagen … die mit dem kaiserlichen Auftritt auf der Bühne der Weltpolitik nicht ganz zufrieden sind.«
»Das ist die reine Wahrheit«, bekräftigte Constantin, »während der Kaiser sich am Ufer der Memel in Pose wirft und sich mit dem Vertrag brüstet, den er dort mit Bonaparte
Weitere Kostenlose Bücher