Verführerische Unschuld
Mahlzeiten so köstlich machte, lächelte sie immer und sagte, dass die geheime Zutat ihre Liebe war. Und wenn seine Eltern sich dann zärtlich küssten, hatte Grant geglaubt, dass es für ewig so bleiben würde.
“Ich hoffe, Sie sind hungrig.” Caitlyn brachte ihn mit ihren Worten unvermittelt in die Gegenwart zurück.
“Hungrig und müde”, erwiderte er.
Grant konnte sich nicht erinnern, wann er sich das letzte Mal zu einer anständigen Mahlzeit daheim an den Tisch gesetzt hatte. Seltsam, wie ein hübsch gedeckter Tisch selbst das einfachste Essen zu etwas Besonderem machte.
Bevor er seinen Platz am Tisch einnahm, bearbeitete er im Bad seine Hände mit Seife, ohne viel von dem Öl loszuwerden, das ebenso wie seine Vergangenheit ein unauslöschlicher Teil von ihm zu sein schien. Er trocknete sich Hände und Gesicht ab und sah sich einen Moment im Spiegel an. Das unrasierte Kinn verlieh seinem Gesicht eine gewisse Strenge, und er fragte sich, wie eine so junge, zarte Frau wie Caitlyn es gewagt hatte, sich mit ihm anzulegen. Er musste insgeheim ihren Mut bewundern, andererseits machte er sich Sorgen, dass sie sich mit ihrer Furchtlosigkeit bei der übrigen Crew Ärger einhandeln könnte. Ein weniger ritterlich veranlagter Mann könnte ihren Wagemut als Aufforderung missverstehen, und die Folgen wären nicht abzusehen.
“Es ist nicht viel”, entschuldigte sie sich, als Grant sich setzte.
Grant wollte gerade erwidern, dass alles wunderbar aussah, als Paddy zu wissen verlangte: “Wo ist mein Steak?”
Sein Ton war kriegerisch, da er vergebens im Kühlschrank nach seinem Steak suchte.
“In deiner Suppe”, sagte Caitlyn. “Ich fürchte, wir werden uns heute mit Suppe und Käse begnügen müssen. Das Brot, das ich gefunden habe, hatte einen wunderhübschen blaugrünen Farbton und war nicht sehr appetitlich. Sobald ich in der Stadt gewesen bin und Lebensmittel eingekauft habe, wirst du anfangen, gesundes Essen zu dir zu nehmen, Daddy. Ob du es nun willst oder nicht.”
Grant war erstaunt, dass sie tatsächlich in einer Sache einer Meinung sein konnten. Zum ersten Mal wünschte er Caitlyn Glück. Jedes Mal, wenn er das Thema “gesunde Ernährung” auf den Tisch brachte, kramte Paddy die saftigsten Schimpfwörter aus seinem Vokabular heraus, um seine Meinung über vernünftiges Essen zum Ausdruck zu bringen.
Grant probierte die Suppe und fand sie wirklich köstlich. Wer hätte gedacht, dass ein verwöhntes College-Mädchen kochen könnte? “Schmeckt gut”, sagte er und grinste, als er bemerkte, wie misstrauisch sie auf sein Kompliment reagierte.
“Ich bin froh, dass wenigstens einer meine Kochkünste zu schätzen weiß”, erwiderte sie und sah seufzend zu Paddy, der lustlos mit dem Löffel in seiner Suppe herumrührte.
“Vielleicht werden Sie ja doch für etwas nützlich sein”, fügte Grant hinzu, um sie zu reizen.
Und es gelang ihm auch. Caitlyn funkelte ihn wütend an, doch bevor sie etwas sagen konnte, warf Paddy geschickt ein: “Und wie geht es deiner Mutter, Liebes?”
Caitlyn ließ sich nicht täuschen. Sie wusste, warum er sie ausgerechnet jetzt nach ihrer Mutter fragte, gab aber nach einigen Sekunden, in denen sie mit sich kämpfte, nach. “Gut.”
Grant hatte Mitleid mit dem armen Paddy, der immer noch so offensichtlich an der Frau interessiert war, die ihm das Herz gebrochen hatte, als sie zur High Society zurückging. Ihr Leben mit Paddy war nur ein amüsantes kleines Zwischenspiel für sie gewesen. Doch Grant war zu müde, um dem Gespräch zwischen Vater und Tochter viel Aufmerksamkeit zu schenken, und war erleichtert, als Caitlyn sein Angebot, ihr beim Abwaschen zu helfen, ablehnte. Er entschuldigte sich und ging unter die Dusche. Wenn er Glück hatte, würde er nicht einschlafen, bevor er mit dem Duschen fertig war.
Erst als er sich abgetrocknet hatte, fiel ihm wieder ein, dass er heute auf dem Sofa nächtigen musste. Er besaß nicht einmal einen Pyjama, und der Gedanke, mitten im Wohnzimmer nur in seiner Unterwäsche zu schlafen, gefiel ihm nicht besonders. Vor allem nicht, wenn Paddy und Caitlyn womöglich lange aufbleiben wollten, um sich zu unterhalten.
Er blickte durch den Dampf auf sein Spiegelbild. “Zum Kuckuck mit beiden”, sagte er leise, wickelte sich ein Badetuch um die Taille und ging in sein Schlafzimmer, um sich saubere Unterwäsche anzuziehen. Ob es gewisse andere Leute nun störte oder nicht, er würde sich seinen Schlaf holen, wann er wollte.
Er griff in
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