Verführerischer Dämon: Roman (German Edition)
konnte er ihren widerwärtigen Vater nicht zur Hölle schicken. Stattdessen lag er hier auf diesem langen chromglänzenden Tisch, nackt und von magischen Fesseln gebunden, die ihn fast erstickten. Ihm jede Möglichkeit raubten, sich zu bewegen oder seine Magie zu nutzen. Nur sein Schmerzempfinden funktionierte noch hervorragend.
Es war nichts anderes als eine magische Vivisektion, was Rasmus an ihm vornahm, das Zerschneiden bei lebendigem Leib. Der Magier war entschlossen, ihn erneut zu versklaven– nur aus diesem Grund lebte Xia noch–, und daher versuchte er, das Band, das Carson und Nikodemus zu ihm gewoben hatten, mit dem Skalpell zu durchtrennen. Manchmal griff er auch zur Eisensäge. Doch Xia war nicht nur magischen Attacken ausgesetzt, immer wieder fügte Rasmus ihm auch schwerste körperliche Verletzungen zu, in der Hoffnung, dass er vielleicht im Moment des nahen Todes Xias Geheimnis entdecken würde.
Nun, bis jetzt war das nicht geschehen.
Rasmus ließ ihn nicht sterben, holte Xia immer wieder zurück. Dabei wäre Xia lieber gestorben, als ein zweites Mal magiegebunden zu werden, aber er befürchtete, keine Wahl zu haben. Rasmus war entschlossen, eine Möglichkeit zu finden, ihn erneut zu binden, und sollte er Erfolg haben, dann war Xia verloren. Alexandrine würde er vermutlich erst dann wiedersehen, wenn ihr liebender Vater ihn mit dem Auftrag losgeschickt hatte, sie zu töten.
Xia hätte sich am liebsten von allem gelöst, in seinen Geist zurückgezogen vor dem, was Rasmus ihm antat, doch er wagte es nicht. Er musste wach und aufmerksam bleiben für den Fall, dass dem Magier ein Fehler unterlief, damit er noch im selben Moment die Fesseln sprengen konnte. Und dann würde er Rasmus mit bloßen Händen umbringen. Doch bis jetzt standen Xias Chancen schlecht. Das Einzige, was er unter diesen Umständen tun konnte, war, sich selbst vom Schmerz abzuschneiden. Ab und zu gelang es ihm auch. Für ein oder zwei Sekunden.
Der Magier sandte glühende Hitze in seinen Körper, und Xia unterdrückte einen Schrei. Nicht dass irgendein Laut aus seiner Kehle hätte dringen können. Irgendetwas in seiner Brust gab nach, und für einen Moment nahm Xia seinen Körper klar und deutlich wahr. Sein Herz schien zu trockener Asche zu verbrennen. Wieder stieg ein Schrei in seiner Kehle auf, riss seine Luftröhre beinah entzwei. Während das magische Feuer in seinem Körper schwelte, zwang Xia sich, sich auf die Kühle von Alexandrines Magie zu konzentrieren. Die Kälte half ihm, seine geistige Gesundheit zu bewahren.
» Na, na, Xia«, sagte Rasmus. » Das ist genug.« Er strich sich das lange weißblonde Haar zurück.
Der Magier war äußerst schlecht gelaunt, weil er bereits seit Stunden, wie es Xia vorkam, erfolglos versuchte, ihn unter sein Joch zu zwingen. Doch das Band, das Carson gewirkt hatte, als sie Xia von Rasmus trennte, hatte bisher allem standgehalten, was dieser ausprobiert hatte. Xia vermutete, dass Alexandrines Magie es zusätzlich stärkte. Denn einiges von dem, was Rasmus ihm angetan hatte, war selbst für Magier ungewöhnlich brutal.
Rasmus murmelte etwas vor sich hin und runzelte die Stirn, als er eine Hand auf Xias bloße Brust legte. Allein die Berührung jagte ein Feuer durch ihn.
» Wie hat sie das bloß geschafft?«
Wieder konzentrierte sich Xia auf die Kühle von Alexandrines Magie und ließ seine Gedanken wandern. Ließ das Bild von Alexandrine vor seinen Augen erstehen. Es war schön, sie vor sich zu sehen. Sie war ein tolles Mädchen. Mit einem absolut heißen Körper. Und immer bereit, mit ihm zusammen Grenzen zu überschreiten.
Am meisten erregte ihn aber diese Hexensache. Von Anfang an hatte es ihn angemacht, dass sie eine Hexe war, egal, ob sie ihre Gabe nutzen konnte oder nicht. Und ihm gefiel, dass er nun ihre Magie besaß. Es gefiel ihm sogar sehr. Seit Hunderten von Jahren hatte kein Dämon mehr eine Hexe besessen. Er musste einfach überleben, damit Alexandrine und er herausfinden konnten, welche Möglichkeiten ihnen dies eröffnete.
Irgendwo, weit von dem Ort entfernt, an den Xia seine Gedanken sandte, fluchte Rasmus vor sich hin. Und plötzlich bekam Xia keine Luft mehr. Zum wiederholten Mal versuchte Rasmus, seinen Körper dazu zu bringen, aufzugeben und zu sterben, um in den letzten Momenten, bevor der Tod unumkehrbar wurde, hineinzuschlüpfen und die Kontrolle zu übernehmen. Bisher war es ihm nicht gelungen, aber viel hatte Xia nun nicht mehr dagegenzusetzen.
Die Luft
Weitere Kostenlose Bücher