Verfuehrt
auf seine Nähe, gegen die ich nichts tun kann. Doch der Rest von mir ist wütend auf ihn. Sehr wütend sogar. So wütend, dass mein Lächeln ziemlich zittrig ist, als Sarah und ihr Vater jetzt ebenfalls zu uns stoßen und wir uns an den Tisch setzen.
»Was machst du hier?«, frage ich Matteo leise, aber scharf, als er ganz selbstverständlich neben mir Platz nimmt. Es ist ein Stuhl für ihn da, offenbar war der für meine Begleitung eingeplant oder jemand anders ist nicht gekommen. Was sein Glück ist, denke ich, immer noch aufgebracht darüber, dass er einfach so aus dem Nichts aufgetaucht ist.
»Du wolltest doch, dass ich dich begleite«, antwortet er ungerührt, ohne sein Lächeln zu unterbrechen, und in seinen goldenen Augen liegt ein warmes Schimmern, das mir erneut den Atem nimmt und es mir schwer macht, an meiner Wut festzuhalten.
»Und du hast gesagt, dass du nicht willst«, entgegne ich. »Was, wenn ich Ersatz gesucht hätte?«
Er hebt die Augenbrauen. »Hast du?«
»Nein. Aber das heißt nicht, dass die Einladung für dich noch galt.« Ich meine, was denkt er sich eigentlich dabei, einfach so aufzukreuzen?
»Dann soll ich wieder gehen?«
»Nein!« Ich atme tief durch, weil ich das ein bisschen zu laut gesagt habe und die anderen uns ansehen. »Nein«, wiederhole ich leiser und verfluche ihn innerlich, weil ich mich nicht entscheiden kann ob ich ihn schlagen will oder küssen. »Bleib.«
Dieser verdammte Mistkerl hat es wieder mühelos geschafft, mich in ein totales Gefühlschaos zu stürzen. Mein Stolz und meine Vernunft finden nämlich, dass ich ihn sofort in die Wüste schicken sollte, während mein Herz dafür plädiert, nicht so nachtragend zu sein und sich erst mal die wahren Gründe anzuhören, warum er hier ist.
Doch ich kann ihn nicht danach fragen, denn während die Kellner die Vorspeise – einen Rukola-Walnuss-Salat mit karamellisiertem Ziegenkäse – servieren, will Sarah von Matteo alles über den Stand der Expertise wissen.
Er bestätigt, was mir Dad schon erzählt hat – dass er sehr viel weitergekommen ist und die Spur des Bildes bis nach Italien zurückverfolgen konnte. Ein wichtiger Schritt ist damit gemacht, doch es fehlt nach wie vor der entscheidende Nachweis, der Enzo mit dem Bild verknüpft – bislang kann es immer noch von einem Zeitgenossen oder einem Schüler gemalt worden sein, was den Wert des Gemäldes ganz entscheidend mindern würde.
»Und was denken Sie, wie lange Sie noch brauchen werden?«, erkundigt sich Sarah.
Matteo zuckt mit den Schultern. »Das kommt ganz darauf an, wie sich die Dinge entwickeln«, sagt er rätselhaft und mit einem Seitenblick auf mich, der meinen Herzschlag beschleunigt und mich noch ein bisschen mehr verwirrt.
Während des Hauptgangs müssen wir mehreren Funktionären und Politikern zuhören, die Grußworte übermitteln – die »Feierstunde« ist nämlich tatsächlich der Jahresball der LBA, mit den entsprechenden Rückblicken auf die Aktivitäten des vergangenen Jahres. Und dann werden die Preise in verschiedenen Kategorien verliehen, was bis zum Nachtisch dauert. Erst nach dem Essen ist endlich Grace dran.
Die Jury begründet ihre Wahl zur »Young Business Woman of the Year« mit vielen Komplimenten, lobt ihre Zielstrebigkeit und ihren Blick für größere Zusammenhänge genauso wie ihr soziales Engagement, das bei ihrer Arbeit stets zu spüren sei.
Grace ist sichtlich bewegt, als sie schließlich ans Rednerpult tritt, um sich für den Preis zu bedanken.
»Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, außer dass ich mich sehr geehrt fühle, für diesen Preis ausgewählt worden zu sein. Aber eigentlich dürfte ich gar nicht alleine hier oben stehen, denn dass ich in den letzten zwei Jahren beruflich so viel erreicht habe, verdanke ich meinem Mann. Er hat mir die Chance gegeben, meine Fähigkeiten zu entdecken und zu entfalten, und ich habe viel von ihm gelernt. Wir sind in so vielen Bereichen ein gutes Team, und ich hoffe, dass wir das noch sehr lange so erfolgreich fortführen können wie bisher – wobei unser nächstes gemeinsames Projekt privater Natur sein wird.« Lächelnd legt sie die Hand auf ihren Bauch und strahlt dann Jonathan an, dessen Gesicht deutlich zeigt, wie stolz er auf seine Frau ist.
Er geht Grace entgegen, und ich bin genauso gerührt wie viele andere im Saal, als er sie fest in die Arme schließt. Die beiden verbindet offensichtlich eine Menge, obwohl sie so verschieden sind, und mir geht nach, was Grace in
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