Verfuehrt
war viel schöner als alles, was ich bis jetzt erlebt habe. Vielleicht gerade weil es so verrückt war, so unvernünftig, so – aussichtslos.
Und genau das ist das Problem. Mit einem tiefen Seufzen schließe ich die Wohnungstür auf und gehe ins Arbeitszimmer, wo die Fotos liegen, die ich für den nächsten Ausstellungskatalog noch einscannen muss. Dass es aussichtslos wäre. Matteo ist in sein Leben zurückgekehrt, geht seine Wege und hat mich wahrscheinlich längst vergessen. Er läuft keiner Frau nach, dass hat er mir nach unserer ersten Liebesnacht erklärt – und ich laufe ihm auch nicht nach. Wenn er mich komplett aus seinem Leben streichen kann, dann kann ich das auch, und ich werde nicht …
Der Türgong lässt mich vom Schreibtisch aufschauen. Ich erwarte niemanden – eigentlich bin ich gar nicht da, müsste längst wieder im Auktionshaus sein, deshalb überlege ich kurz, ob es Mum sein kann, die da klingelt. Aber das ist Unsinn. Sie würde über die Verbindungstreppe im Haus nach unten gehen und nicht nach vorne zur Haustür. Vielleicht die Post, denke ich dann und lege den Stapel mit den Fotos, den ich schon in der Hand hatte, auf den Esstisch. Ich muss durch den Flur bis zur Haustür laufen und sie selbst öffnen, weil es keinen Türsummer und auch keine Gegensprechanlage gibt, was ich wieder einmal verfluche, vor allem, als ich sehe, dass es Harriet Sanderson ist, die mich sprechen will. Auf diese Begegnung hätte ich mich gerne wenigstens ein paar Sekunden lang vorbereitet.
»Hallo, Sophie.« Matteos Mutter sieht genauso aus wie bei den letzten Malen, bei denen ich sie getroffen habe, ist wieder adrett, aber konservativ gekleidet, diesmal mit einer hellen Sommerhose und einem passenden fliederfarbenen Twinset. »Könnte ich kurz mit Ihnen reden?«
»Natürlich. Ich war zwar gerade auf dem Sprung, aber …«
»Vielleicht besprechen wir das lieber drinnen?««, unterbricht sie mich, und mir fällt plötzlich auf, dass sie nicht lächelt. Das hat sie sonst immer getan, aber jetzt mustert sie mich mit einer so ernsten, fast bösen Miene, dass ich richtig nervös werde.
»Setzen Sie sich doch«, biete ich ihr an, als wir in meinem Wohnzimmer stehen, und deute auf mein Sofa und den Sessel. Matteos Mutter schüttelt allerdings nur den Kopf.
»Ich bleibe nicht lange und ich denke, ich stehe lieber«, sagt sie kurz angebunden, und mir wird klar, dass sie tatsächlich wütend auf mich ist.
»Was kann ich für Sie tun?«, frage ich unsicher, weil ich absolut keine Ahnung habe, was sie von mir wollen könnte.
Sie stellt ihre Handtasche, die über ihrem Arm hing, auf den Sessel.
»Ich habe lange überlegt, ob ich überhaupt kommen soll«, sagt sie. »Aber ich muss einfach wissen, wieso ich mich so getäuscht habe.«
Leider kann ich ihr immer noch nicht folgen. »Getäuscht?«
»In Ihnen«, erklärt sie mir und ihr Blick ist kritisch – um es mal freundlich auszudrücken. Wenn man damit töten könnte, läge ich vielleicht schon auf dem Teppich und würde meinen letzten Atemzug tun. »Ich dachte wirklich, mein Sohn würde Ihnen etwas bedeuten. Dass er mit Ihnen endlich eine Frau gefunden hat, die ihn erreicht und ihm den Glauben an die Liebe zurückgibt. Sie wirkten so glücklich mit ihm.« Sie schüttelt den Kopf. »Und dann so etwas.«
Jetzt bin ich endgültig sehr verwirrt. »Es tut mir leid, aber ich glaube, Sie haben da etwas falsch verstanden«, erkläre ich ihr. »Matteo hat mich verlassen. Nicht ich ihn.«
Das scheint sie zu wissen, doch es macht ihren Blick nicht weniger eisig. »Er sagt, Sie hätten ihn belogen. Wieso haben Sie das getan, Sophie? Er war so anders mit Ihnen, so offen. Wieso mussten Sie das wieder kaputtmachen?«
»Ich?« Heftig schüttele ich den Kopf. »Hören Sie, ich habe wirklich keine Ahnung, wovon Sie sprechen. Ich war morgens bei Matteo, und es war alles in Ordnung. Wir hatten uns zum Mittagessen verabredet, aber er ist nicht gekommen. Und als ich zu ihm gefahren bin, um zu fragen, was los ist, hatte er schon seine Koffer gepackt. Er wollte nicht mehr mit mir reden, hat mir nur ein paar unschöne Dinge an den Kopf geworfen und ist gefahren. Wenn also jemand etwas kaputtgemacht hat, dann Matteo – und nicht ich.«
Das nimmt Harriet endlich den Wind aus den Segeln, denn die Wut verschwindet aus ihrem Gesicht und macht Platz für einen ratlosen Ausdruck, den ich nur zu gut nachvollziehen kann.
»Aber … er war so wütend, als er mich anrief. Er sagte, er müsste
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