Verfuehrt in Las Vegas
weiten, blauen Rock, der fast bis zum Boden reichte. Ihr blauschwarzes Haar war noch von keiner einzigen grauen Strähne durchzogen, und sie trug es zu zwei dicken Zöpfen gebunden.
Das war also Grahams Mutter.
Mit allem Mut, den sie aufbringen konnte, lächelte Caitlin ihr zu. Die andere Frau betrachtete sie sorgfältig vom Kopf bis zu den Füßen. Aber ihr Lächeln wurde nicht erwidert.
Die Ähnlichkeit ist nicht zu leugnen, dachte Caitlin. Die hohen Wangenknochen, die kerzengerade Haltung, der unbeugsame Blick.
Plötzlich fiel ihr wieder auf, wie nervös sie war. Hilfesuchend wandte Caitlin sich an Graham. Den nächsten Schritt musste jetzt er tun.
Er löste sich sanft von seinem Sohn und umarmte seine Mutter.
„Hallo, Ma.”
Lily blickte Caitlin noch immer unverwandt an. „Du hast Besuch mitgebracht.”
Graham zögerte kurz, er wusste wirklich nicht, wie er ihr die Nachricht vermitteln sollte. Nach ihrer eigenen gescheiterten Ehe war Mrs. Redhawk strikt gegen Mischehen.
„Sie ist ein bisschen mehr als Besuch, Ma”, begann Graham zögernd.
Endlich sah seine Mutter ihn an. Er brauchte ihr nichts zu erklären, sie wusste sofort, was los war. Schließlich war Graham ihr Sohn. Sie kannte ihn bis auf den Grund seiner Seele.
„Ist sie dieselbe Frau, die du damals geliebt hast?” fragte sie aufmerksam.
Caitlin hatte das Gefühl, als wäre sie gar nicht anwesend, als würden sie über einen unbekannten Dritten sprechen. Aus dem Klang von Lilys Stimme ließ sich nichts schließen. Wenn sie nur ein wenig von ihrer Geschichte wusste, war es nicht verwunderlich, dass sie ihr keinen allzu warmen Empfang bereitete. Caitlin fröstelte plötzlich. Sie hatte sich das alles einfacher vorgestellt.
„Ja, aber damals gab es einige Missverständnisse”, beeilte sie sich zu sagen.
Grahams Mutter schien an ihrer Erklärung nicht sonderlich interessiert zu sein. „Das sagen alle jungen Leute”, meinte sie gleichmütig.
Noch immer wartete sie darauf, dass ihr Sohn ihr klarmachte, was diese junge Frau in ihrem Heim zu suchen hatte. Einem Heim, das sie mit ihm und Jake teilte.
„Ma, Jake”, begann Graham, dann verstummte er wieder. Hilfesuchend sah er seinen kleinen Sohn an, als würde er von ihm eine Antwort erwarten. Keiner der drei rührte sich. Caitlin war kalt, sie fühlte sich wie ein ungebetener Besucher. Was war nur los mit Graham?
Da ging plötzlich ein Ruck durch ihn, und er griff nach ihrer Hand. „Caitlin und ich haben gestern Abend geheiratet”, verkündete er.
Besonders Jake schien wie vom Donner gerührt. Grahams Mutter nahm diese sensationelle Ankündigung unbewegt auf.
Caitlin fühlte sich bemüßigt, noch etwas hinzuzufügen. „Es … es ist nur für kurze Zeit”, sagte sie. „Graham muss den Richtern beweisen, dass er Jake ein stabiles Familienleben bieten kann. Daher habe ich eingewilligt, ihn zu heiraten. Außerdem hat meine Familie ziemlichen Einfluss in der Stadt.”
Jake schien völlig verwirrt zu sein. Er sah zwischen Graham und Caitlin hin und her.
Caitlin gefiel ihm, sie war hübsch und hatte ein warmes Lächeln. Aber das hatte seine Mutter auch gehabt, und sie hatte ihn trotzdem verlassen.
„Heißt, das, dass du jetzt meine Mutter bist?” fragte er ängstlich.
„Wenn dir das gefällt, wäre ich das sehr gerne”, erwiderte Caitlin vorsichtig.
Jake presste die Lappen aufeinander. „Ich denk mal drüber nach.”
Er klingt wie Grahams Sohn, dachte sie.
„Ach, übrigens, Ben hat angerufen”, sagte Lily unvermittelt. „Er meinte, du solltest die Gerichtsverhandlung nicht vergessen.”
Oh, Gott, das hatte er ja ganz vergessen! Natürlich, er musste um drei Uhr im Gericht sein.
„Danke, Ma.” Graham wandte sich zum Gehen.
Das konnte doch nicht wahr sein! Er konnte sich doch jetzt nicht einfach aus dem Staub machen! Plötzlich wurde Caitlin von Panik ergriffen. Sie wollte nicht mit dieser feindseligen Frau und dem kleinen Jungen allein gelassen werden.
„Aber du hast doch gesagt, du könntest heute freimachen”, protestierte sie schwach.
„Tut mir leid, ich habe ganz vergessen, dass ich als Zeuge aussagen muss”, erwiderte Graham. Es war ihm zwar auch nicht lieb, sie jetzt verlassen zu müssen, doch leider hatte er keine andere Wahl. Und wer weiß, vielleicht gewöhnten sich die drei ohne ihn ja auch schneller aneinander.
„Bis heute Abend also”, sagte er und wandte sich zur Tür. „Viel Glück”, meinte er noch zu Caitlin, dann war er
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