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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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unten, und legen Sie ihn in Ketten. Er scheint an einer Art von Gehirnentzündung zu leiden. Unheilbar, fürchte ich.«
    Smythe schlug wild auf Arme und Beine seiner Gegner ein. Wie aus weiter Entfernung sah er den Admiral das silberne Messer zur Hand nehmen, die Klinge an seinem Daumen testen. Dann hörte er ihn mit jovialer Stimme rufen: »Kommen Sie nur her, Mr. Digby. Ich habe eine Nachricht für Sie, die Sie besser schnell Ihrem Captain überbringen sollten.«
    Ein Pistolenkolben, der gegen seine Schläfe donnerte, erstickte Smythes Warnruf. Hinter seinen Augenlidern explodierten Blumen aus Licht. Sein letzter zusammenhängender Gedanke, als sie ihn fortschleiften, war: Es tut mir Leid, Annemarie . So Leid . Und dann, nachdem ein wehmütiger Seufzer über seine Lippen gekommen war: Lucy .

27
     
    »Captain! Captain! Das Beiboot. Die Heiligen seien gepriesen. Das Boot ist da!«
    Tams Jubelruf schickte die ganze Besatzung der Retribution wie einen Mann an die Steuerbordreling. Kevin seufzte resigniert. Bevor ihm der Bruder die Finger abriss, gab er ihm lieber gleich das Fernglas.
    Gerard strich sich eine Strähne aus den Augen und linste in das Miniaturteleskop. Als die Sonne ihren langsamen Abstieg zur See begonnen hatte, war Wind aufgekommen und hatte aus dem würgenden Griff der Hitze eine warme Umarmung gemacht.
    Gerard wusste nicht, ob er seinen Triumph feiern oder den drohenden Verlust beweinen sollte. Er hatte es nicht gewagt, über diesen Zeitpunkt hinauszudenken, was auch richtig gewesen war, denn ohne Lucy erschien ihm die Zukunft wie fahler Nebel, grau und kalt wie die Nordsee im Winter. Sie würde ihn zweifelsohne ihr Leben lang hassen und ihn für geldgierig halten, weil er sie für dreißig Silberlinge und ein wertloses Stück Papier verkauft hatte. Führwahr, ein bittersüßer Sieg!
    Tosender Jubel brach aus, als das Beiboot in Sicht kam. Und erstarb zu bedrücktem Schweigen, als den Männern, altgedienten Seeleuten allesamt, etwas Sonderbares am Kurs des Boots auffiel. Anstatt zielsicher auf die Retribution zuzusteuern, tanzte es auf der zunehmenden Dünung, von den Launen des aufkommenden Winds einmal dahin, einmal dorthin getrieben. Der untere Rand der Sonne setzte auf den Horizont auf und tauchte die See in blutiges Orange.
    »Sieht aus, als wär es leer, Sir! Nichts zu sehen von Digby.«
    Noch vor Tams verstörtem Bericht hatte Gerard das Fernglas sinken lassen und Apollo ein rätselhaftes Zeichen gegeben. Jetzt sah er besorgt zu, wie Apollo und Fidget ein weiteres Beiboot zu Wasser ließen. Die beiden warfen sich kraftvoll in die Riemen und mühten sich, Digbys Boot zu erreichen, bevor die Strömung es weiter aufs offene Meer hinauszog. Tam kletterte vom Ausguck herunter und gesellte sich schweigend zur Wacht.
    Das zweite Boot schien förmlich zu schrumpfen, als es den Schatten der Argonaut streifte. Die Verwundbarkeit seiner Männer unter den hungrigen Kanonenmündungen des Kriegsschiffs ließ Gerard frösteln, doch er war von bitterer Zuversicht erfüllt, dass der selbstgefällige Admiral sein Werk bewundert haben wollte, bevor er zum Zerstörungsschlag ausholte. Apollo hielt das Beiboot auf Kurs, während Fidget routiniert Digbys Boot seitwärts holte, um es in den sicheren Hafen des Mutterschiffs zurückzubringen.
    Irgendetwas lag auf dem Boden des Beiboots. Aus der Entfernung schien es lediglich ein Lumpenbündel zu sein, aber Gerard wusste es besser.
    Er machte von Trauer betäubt die Augen zu und öffnete sie erst wieder, als er auf dem Oberdeck Apollos Schritte vernahm. Sein Steuermann stand direkt vor ihm, Digbys bleichen, schlaffen Körper wie eine Opfergabe auf den Armen. Das übermütige Blitzen im Blick des Kanoniers war auf immer verloschen.
    Pudge nahm die Augengläser ab, um mit dem scharlachroten Taschentuch den Nebel fortzureiben. Tam nahm die Mütze ab und murmelte ein Vaterunser. Kevin verbiss sich einen Fluch, der dem streitsüchtigen alten Kanonier vor Stolz die Brust geschwellt hätte. Nur der Captain verharrte vollkommen reglos wie die leblose Hülle in den Armen seines Steuermanns.
    »Ein Messer in den Bauch gerammt«, sagte er schließlich kalt, während er den silbernen Griff betrachtete. »Kein schneller Tod und auch kein gnädiger.«
    Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, riss er das Blatt Papier fort, das unterm Messer festgepinnt war. Seine Männer kamen ein Stück näher, doch Gerard stillte ihre Neugier nicht, indem er laut die Nachricht vorlas. Sie galt nur

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