Verführt: Roman (German Edition)
einander, ohne es zu wollen, zugefügt hatten: »Oh, Gerard.«
Er war wie gelähmt von der Zärtlichkeit ihres Blicks. Der liebenden Akzeptanz all dessen, was er war, was er gewesen war und was er dereinst sein würde. Er fühlte sich, als sei ihm zurückgegeben, was er in den dunklen, nasskalten Jahren in jenem französischen Gefängnis am Meeresufer verloren hatte. Etwas, das nicht so leicht zu fassen war wie der Verlust des Namens, des Stolzes oder sogar der Freiheit. Bei ihrem ersten Aufeinandertreffen hatte Lucy ihm erklärt, dass die Seele unsterblich war, aber er hatte ihr nie wirklich geglaubt. Bis jetzt.
Er nahm ihre Hand, brachte sie an seine Lippen und küsste jeden einzelnen zarten Fingerknöchel. Lucys Augen waren feucht vor Glück, als er langsam seinen Mund auf den ihren senkte. Er war zu ihr gekommen, um seine Verdammnis zu besiegeln, und fand im berauschenden Nektar ihres Kusses die Erlösung. Tief sog er ihn ein, und das Risiko, das Lucy mit diesem Kuss einging, machte den Geschmack des Nektars nur noch verführerischer.
In der Sekunde, als Gerards Lippen ihren Mund berührten, wusste Lucy, was Kevins gestohlenem Kuss gefehlt hatte. Zärtlichkeit. Sehnsucht. Verlangen. Und diese Leidenschaft war so überwältigend, dass Gerards Körper vor Wollust erbebte. Lucy erinnerte sich an die exquisite Feinfühligkeit, mit der er sie im Pförtnerhaus behandelt hatte, die selbstlose Zurückhaltung, die alles gab und nichts verlangte.
Sie legte die Arme um seine schlanken Hüften und grub das Gesicht in sein Hemd, weil sie eine Art von Abgeschiedenheit brauchte, um zu sagen, was sie zu sagen hatte. »Du brauchst dir keine Zeit zu lassen, mich … mich zu verführen. Ich weiß doch, dass du seit sechs Jahren auf das hier wartest.«
Er legte ihr die Hand ans Kinn und hob ihr Antlitz. Mit ernstem Blick betrachtete er ihr schönes Gesicht. »Ich habe einunddreißig Jahre lang gewartet. Auf dich.«
Auf dich . Nicht auf irgendeine kundige, dralle Schönheit, die mit der schwer zu fassenden Gewandtheit, die nur die Erfahrung lehrte, sein unfreiwilliges Mönchsdasein beendete. Sondern auf sie. Die schüchterne, ungeschickte, unerfahrene Lucy. Sein Geständnis gab ihr Zuversicht und ließ ihr Herz voller Freude die Melodie eines unvergessenen Wiener Walzers singen.
»Bist du sicher?«
Sein schiefes Grinsen traf sie mitten ins Herz. »Ich habe sechs Jahre lang gewartet. Verflucht soll ich sein, wenn ich mir jetzt keine Zeit nehme.«
Wie zum Beweis löste er sich von ihr und zündete die Laterne an. Sein Anblick, eingehüllt in den lohfarbenen Schimmer, drückte Lucy vor Sehnsucht die Kehle ab.
Zum ersten Mal wirkte er nicht einfach wie jemand, der die Dunkelheit fürchtete, sondern als liebe er den Zauber des Lichts, weil es mit seiner Flamme jede Kontur von Lucys hinreißendem Körper enthüllte. Gerard wollte des Nachts nicht wie ein gesichtsloses Phantom zu ihr kommen, sondern jede Nuance ihres Vergnügens über ihr wundervolles Gesicht flackern sehen.
Als er begann, sie zu entkleiden, stand Lucy völlig reglos da, fürchtete sich fast zu atmen, aus Angst, sie könne die Magie seiner Hände stören. Seine warmen Lippen streichelten ihre Schläfen, seine Finger zerwühlten ihr Haar und ruinierten die festen Zöpfe. Er drückte jeden Knopf des Tam’schen Hemds durch die Schlaufen, als seien es Bänder aus Spitze an einem seidenen Unterkleid.
Seine Hand näherte sich dem Bund ihrer Breeches. Seine kehlige Stimme vibrierte an ihrem Ohr. »In meinen Breeches hast du mir besser gefallen. Ich mochte die Vorstellung, dass der Stoff dich überall da streichelte, wo ich es nicht konnte.« Er griff um sie herum, legte die Hand auf eine ihrer Pobacken und drückte sie provozierend. »Da.« Er schob zwei Finger seiner anderen Hand in die Senke zwischen ihren Oberschenkeln. »Und da.« Der derbe Stoff kratzte und machte sie nur noch empfänglicher für seine Berührung. Jetzt hing sie regelrecht an ihm und keuchte vor Lust.
Gerards Hände wanderten erneut über ihren ganzen Körper, und dies mit solch kundiger Raffinesse, dass ihre Kleidung sich in Luft aufzulösen schien, als er sie endlich auszog. Die kühle Luft streifte ihre fiebrige Haut und ließ die Brustwarzen hart werden.
Als der Rest ihrer Männerkleider zu Boden fiel, hatte Gerard Grund, sein Versprechen zu bereuen, sich Zeit zu lassen und sie zu umwerben. Die Schönheit der wundervollen Brüste mit ihren rosigen Spitzen hätte er vielleicht noch ertragen.
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