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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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denn, er hatte ihn selbst heraufbeschworen.
    Smythe vermied es, ihm in die eiskalten Augen zu sehen. »Verzeihung, Sir. Er hat sich an mir vorbeigedrängt.«
    Der Admiral begutachtete den strampelnden jungen Kerl abschätzig. »Wenn du etwas abzuliefern hast, Bursche, dann hättest du den Dienstboteneingang nehmen sollen.«
    Smythes Gefangener fing wieder zu zappeln an und diesmal so heftig, dass der Butler sich gezwungen sah, ihn loszulassen, wenn er nicht sein letztes bisschen Würde einbüßen wollte.
    Der Junge warf Smythe einen triumphierenden Blick zu und zog die zerdrückte Mütze. Das sommersprossige Gesicht war sauber geschrubbt, aber Lucy hätte gewettet, dass sich sein Alter an der Zahl der Dreckschichten an seinem Hals ablesen ließ.
    »Nee, das bin ich aber nich’, Sir. Jetz’ noch nich’. Ich komm’ wegen der Stelle.«
    Lucy krümmte sich vor Mitgefühl, als sie den grobschlächtigen Dialekt hörte. Das Einzige, was Vater noch weniger leiden konnte als Franzosen, waren Iren. Der hoch aufgeschossene Bengel schenkte ihr ein so nettes Lächeln, dass Lucy nicht anders konnte, als scheu zurückzulächeln.
    »Lucinda«, fauchte ihr Vater. »Sporne den Kerl nicht auch noch an.«
    »Es tut mir Leid, Vater.« Mit rot angelaufenen Wangen schaute sie auf das halb fertige Seestück und wünschte sich, sie könne in die kalten Blau- und Grautöne tauchen und verschwinden.
    Der Admiral sank auf seinen Stuhl und ließ die Fingerknöchel knacken. »Nun, gut. Jetzt aber fort.«
    Lucy stand dankbar auf und wandte sich zum Gehen.
    »Nicht du«, zischte der Admiral. Sie setzte sich eiligst wieder hin. »Er!«
    Der Junge wollte nicht, doch Smythe hatte ihn schon wieder am Kragen. »Nich so schnell«, bettelte der Bursche. »Ich hab schon viele verhauen. Ich bin nich so stark, aber drahtig.«
    »Genau wie ich, Bursche«, sagte Smythe, der unverhohlen seinen Sieg genoss, während er den Eindringling hinauszerrte.
    Auf das Knarren der Eingangstür folgte der gedämpfte Plumps eines Körpers, der die Treppe hinunterrollte. Lucy sah vor ihrem inneren Auge, wie Smythe sich den Staub von den gepflegten Händen klopfte.
    Benson rutschte unruhig in seinem Sessel herum, doch der Admiral brachte ihn mit dem bloßen Heben einer schneeweißen Augenbraue zur Ruhe. Lucy beschäftigte sich mit dem Zuschrauben ihrer Farbtuben und war dankbar, dass der vernichtende Blick ihres Vaters wenigstens einmal jemand anderem galt.
    Dem Anwalt stand das spärliche Haar zu Berge, als der Admiral mit Eiseskälte wiederholte: »Nur die Allerbesten, wie?«
     
    Im Laufe des langen Nachmittags sollten sich die Worte als prophetisch erweisen. Der ungestüme junge Ire war vielleicht nicht der Qualifizierteste gewesen, sicherlich aber der Sauberste. Einen derart scheckigen Auflauf von Männern hatte Lucy nie zuvor gesehen. Mehr als eine flüchtige Bekanntschaft mit Wasser und Seife schien keiner gemacht zu haben.
    Ein Herr aus dem Orient, der unbedingt seine Kampfeskünste hatte vorführen wollen, erntete einen wütenden Rauswurf, als er unabsichtlich des Admirals heiß geliebte Captain-Cook-Büste zerschmetterte. Ein riesenhafter Kerl, der schüchtern eingestand, dass seine Erfahrung mit kriminellen Elementen aus seiner eigenen Zeit als Taschendieb herrührte, musste von zwei Dienern entfernt werden, nachdem Smythe ihn ertappt hatte, wie er silberne Löffel vom Teetablett stibitzte.
    Nach dem abrupten Abgang des Langfingers war Mr. Benson so tief in seinen Sessel gekrochen, dass es schien, als wolle er gänzlich verschwinden. Das feuchte Haar klebte ihm in elenden Strähnen über den Schädel. Das Chronometer tickte mit gnadenloser Präzision die Minuten fort. Der Admiral zündete sich eine Pfeife an, verschanzte sich hinterm Schreibtisch und puffte Rauchwolken wie ein wütender Drache.
    Eingelullt von der wirkungsvollen Mischung aus duftendem Rauch und warmem, herbstlichem Sonnenlicht, das durch die Fenster fiel, nickte Lucy nur noch schläfrig, als Smythe erneut im Bogengang erschien. Seine Stimme schien von weit weg zu kommen. »Ein Mr. Claremont möchte Sie sprechen, Sir.«
    Lucy runzelte, ohne die Augen zu öffnen, die Stirn. Bildete sie sich das nur ein, oder hatte Smythe irgendwie gedehnt gesprochen, so als hätte der Name eine Art Vorgeschmack auf seiner Zunge hinterlassen?
    Der Admiral klang missmutig resigniert. »Schicken Sie ihn herein. Ist vermutlich ein entflohener Mörder oder Captain Doom höchstpersönlich, der dieser lächerlichen Farce

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