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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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jemanden hatte lachen hören. Ob sie überhaupt einmal jemanden hatte lachen hören.
    »Ich fürchte, nein, Sir«, gestand er ein, ganz der verlegene Charmeur. »Ich fürchte, ich neige zur Seekrankheit.«
    Er stützte die Handflächen auf den Schreibtisch und flüsterte ihrem Vater konspirativ – aber im ganzen Salon hörbar – etwas zu. »Allein schon dieses Haus zu betreten, hat mich fast seekrank werden lassen.«
    Lucy verstand weshalb. Ihr Vater hatte das Anwesen »Iona« getauft. Nach dem unglückseligen Ionischen Meer, auf dem die Römer zum ersten Mal ihre Vormachtstellung über die Welt bewiesen hatten. Und dann hatte er jeden Zoll im nautischen Stil dekoriert. Obwohl sie die meisten ihrer neunzehn Jahre hier verbracht hatte, rechnete Lucy immer noch damit, dass der polierte Holzboden unter ihr ins Schwanken geriet.
    Über dem Kamin prangte stolz das Steuer der HMS Evangeline , die Vaters erstes Kommando gewesen war. Sämtliche Möbel waren dunkel und schwer, aus polierter Eiche oder Mahagoni, der Zweckmäßigkeit wegen ausgesucht, nicht um der Schönheit willen. Keine orientalischen Teppiche, keine Vasen voller frischer Blumen, kein hübscher Kleinkram, nichts, was die überwältigend maskuline Note hätte aufbrechen können. Stattdessen Globen, Kompasse, Seekarten, Sextanten, Lucys Seestücke und die finster dreinschauenden Büsten von Vaters Seefahrerhelden.
    Nur die Luftigkeit der riesigen Räume und das Sonnenlicht, das durch die hohen Fenster fiel, machte die finstere Einrichtung erträglicher. Die bleiverglasten Scheiben schauten über ein Meer aus getrimmtem Rasen, der sein Sommergrün langsam gegen das Gold des Herbstes tauschte.
    Auf Claremonts Eingeständnis hin schwand Bensons Lächeln. Lucy kämpfte gegen ihre eigene anerzogene Abneigung an und stellte sich auf Vaters vernichtendes Urteil ein. Dass dieser tapfere Kerl einzig darauf reduziert werden sollte, dass er mit fliegenden Rockschößen über der Reling hing, wollte ihr nicht gefallen.
    Der Admiral seufzte. »Auch gut. Ich plane ohnehin keine Seereise, bevor man diesen Schurken Doom nicht gefangen und aufgeknüpft hat. Sie sind engagiert.«
    Diesmal nahm der Admiral die Hand, die Claremont ihm hinstreckte. »Sie werden es nicht bereuen, Sir. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, Sie in Sicherheit zu bringen. Und wenn es mich das Leben kostet.«
    »Derartige Opfer werden nicht verlangt, Mr. Claremont. Und es wird auch nicht mein Leben sein, für das Sie verantwortlich sind, sondern lediglich das meiner Tochter.«
    Lucy hing noch fassungslos den Worten ihres Vaters nach, als Claremont sich schon auf dem Absatz umdrehte und mit unheimlicher Treffsicherheit ihren Blick suchte. Lucy begriff, dass er sich von der Minute an, als er den Raum betreten hatte, ihrer Anwesenheit bewusst gewesen war.
    Sie richtete sich kerzengerade auf und sah in haselnussbraune Augen, die sich in maßloser Abneigung verdunkelten.

5
     
    »Abneigung« war ein zu freundliches Wort. Gerard Claremont verabscheute sie.
    Lucy wusste, dass sie nicht besonders liebenswert wirkte. Sie hatte weder Sylvie Howells charmante Grübchen noch das jovial-aufbrausende Auftreten ihres Vaters. Dennoch konnte sie sich keinen Reim darauf machen, weshalb dieser Mann sie dermaßen missbilligte. Als er durch den flirrenden Dunst aus Rauch und Sonnenschein auf sie zukam, hatte sie das beunruhigende Gefühl, ihn schon einmal gesehen zu haben.
    Die Sonne reflektierte in seinem Binokel und verbarg seine Augen. Lucy fragte sich, ob sie nicht vielleicht doch mit Mutters blühender Fantasie geschlagen war. Sie hatte ihn sich nicht übermäßig groß vorgestellt, doch er überragte sie förmlich. Er griff hinunter und nahm ihre Hand. Einen peinlichen Moment lang glaubte sie, er wolle sich ihre Hand an die Lippen führen. Aber er drückte sie mit höchst gesitteter Geste. »Vergeben Sie mir mein saloppes Auftreten«, murmelte er. »Aber ich hatte ja keine Ahnung, wie bezaubernd meine Schutzbefohlene ist.«
    Eine Erkenntnis, die ihn nicht zu erfreuen schien, wie Lucy feststellte. Und dieser besitzergreifende, warme Händedruck war enervierend! Ihr trotziger Mund weigerte sich, eine Antwort auch nur zu stammeln.
    »Lucinda!«, geiferte ihr Vater. Lucy schoss hoch, als hätte jemand eine Sprengladung unter ihrem Stuhl gezündet. Der Admiral polterte seine altbekannten Salven heraus. »Hast du deine Manieren vergessen, Mädchen? Den Rücken gerade! Kopf hoch! Knie zusammen!« Augenrollend

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