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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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sah Lucy die Treppe herunterschreiten. Hätte sie ihn nicht so erbärmlich aufgehalten, er wäre vielleicht schon unterwegs. Doch bei ihrem Anblick wurde ihm andererseits auch tückisch warm.
    Der weiße Musselin, den sie gewöhnlich trug, war cremefarbener Seide gewichen, so durchsichtig, dass er durch die anmutigen Falten des Rocks die rosaroten Strümpfe erahnte. Eine breite Schärpe aus goldener Filigranarbeit umgürtete unterhalb ihres Busens die Taille und betonte ihre sanften Kurven. Ihr Haar war zu einem lockeren Knoten im griechischen Stil geschlungen, kunstvoll zerzaust, als wäre die Hand eines Geliebten am Werke gewesen. Gerard verfluchte sich selbst, weil er so sehr wünschte, es wäre die seine gewesen. Das klassische Kleid passte perfekt zu ihrer schlanken Gestalt. Sie schwebte förmlich die Treppe hinunter – Persephone, der Unterwelt entkommen, die Funken des Frühlings an den spitzenumhüllten Fingerkuppen.
    Gerard konnte nicht widerstehen. Als sie die letzte Stufe hinter sich gelassen hatte, drückte er sich ihre Hand an den Mund, küsste ihre Handfläche und ließ seine Lippen ein wenig auf der duftenden Mischung aus Spitze und Haut verweilen.
    Ihre Augen trafen einander – die ihren weit vor Erstaunen, seine zusammengezogen vor Anspannung. Wären sie an einem anderen Ort gewesen, zu einer anderen Zeit, wäre er ein anderer Mann gewesen …
    Wie absurd sie beide wirken mussten! Sie in feinster Abendgarderobe, er in einem grob geschnittenen Gehrock und mit einem Hut, der schon vorletzte Saison aus der Mode gewesen war. Er ließ ihre Hand los.
    Smythe tauchte aus dem Nirgendwo auf und legte Lucy eine Kaschmirstola um die Schultern. Gerard machte ein finsteres Gesicht. Das Tuch war viel zu dünn, sie vor Wind und Regen zu schützen.
    »Und mein Vater?«, fragte sie.
    »Ich fürchte, das Wetter setzt seiner Verwundung zu, Miss Lucy«, erläuterte Smythe. »Er wird nicht mitkommen können. Er bittet Sie, Lady Cavendish seine besten Grüße zu übermitteln.«
    Gerard scheuchte Lucy in die wartende Kutsche. Er hegte den Verdacht, dass des Admirals Indisponiertheit eher mit den neuesten Heldentaten Captain Dooms in den Gewässern vor Cornwall zu tun hatte – Cornwall, das Lucien Snow so liebte. Sowohl der Observer als auch die Times hatten es heute Morgen auf dem Titel gehabt.
    Der Regen prasselte aufs Dach der Kutsche, die Fenn gewandt durch den dichten Verkehr auf dem »Strand« lenkte. Der gemütliche Rhythmus machte ihrer beider Schweigen nur noch peinlicher. Die Kälte hatte sowohl Lucys tyrannische Züge getilgt als auch die flüchtige Nähe, die sie beide in der Bibliothek erfahren hatten. Sie sah zum regennassen Fenster hinaus, das Profil nachdenklich ins trübe Licht der Kutschenlaterne gewandt. Vermutlich sinnt sie darüber nach, wie praktisch die launische Gesundheit ihres geliebten Vaters doch sein konnte, dachte Gerard herzlos. Oder sie träumte von Captain Doom, kindisch vernarrt, wie sie in dieses Phantom war.
    Mit jeder Umdrehung der Kutschenräder wuchs seine Verwirrung. Wenn der Admiral schon einen Mann engagierte, der seine verwöhnte Tochter durch die ganze Stadt begleitete, warum hatte er ihr dann keinen verfluchten Beau angeheuert? Oder einen Ehemann? Während auf Iona die Bibliothek unbewacht war, musste Gerard sich in irgendeinem Dienstbotenzimmer herumdrücken, durch einen hämischen Schicksalsstreich vom Ziel seiner Wünsche weit entfernt.
    Die Kutsche kam ruckelnd zum Stehen. Am Schlag tauchte im Wachstuchmantel einer der Diener auf. »Es hat einen Unfall gegeben. Eine Droschke ist auf der Straße umgekippt.«
    Gerard wollte gerade ein Kommando geben, da fiel ihm schon Lucys kultivierte Stimme ins Wort. »Sagen Sie Fenn, dass er umdrehen und den Umweg nehmen soll, den die anderen Kutschen auch fahren.«
    Gerard lehnte sich zurück. Er tat gut daran, sich seiner Stellung zu erinnern. Er war schließlich nur ein Angestellter.
    Der alte Kutscher brauchte eine Zeit lang, sie aus dem Gewirr der Fahrzeuge herauszumanövrieren, aber bald rumpelten sie einer Kutsche hinterher, die ein opulentes Wappen auf dem Schlag trug, das einen Adler mit ausgebreiteten Schwingen zeigte.
    Sie ließen die gepflegten, glatt gepflasterten Straßen mit den hellen Straßenlaternen hinter sich und rollten eine unbekannte Gasse hinunter. Eine Gasse, die Lucy nicht bekannt war, besser gesagt. Gerard kannte jeden zersprungenen Kopfstein, jeden baufälligen Schuppen, jeden schmutzigen Winkel. Der üble

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