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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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Gestank des Flusses ließ bittere Erinnerungen an seine Kindertage aufleben. Von dem Jungen, der hier einst aufgewachsen war, war nichts mehr übrig. Noch nicht einmal sein Name.
    Irgendein Adliger mit einem perversen Sinn für Humor hatte die Gegend »The Garden« getauft. Die aristokratische Nase hatte offensichtlich nie den höllischen Gestank aus verfaultem Fisch und schalem Gin gerochen, den Gestank aus überlaufender Kanalisation und jahrhundertealter Armut. Der Fluss war die pulsierende Vene, die diese Gegend am Leben erhielt, und doch gab es nie genug Trinkwasser, nie genug Wasser, sich zu waschen. War es da ein Wunder, dass Gerard Lucys nach Limonen und Seife duftende, reine Haut so unwiderstehlich erotisch fand?
    Menschenmassen verstopften die enge Straße und ignorierten geflissentlich den Regen, weil die meisten ohnehin keine Zuflucht hatten. Bettler, Huren und Straßenhändler liefen auf die glänzenden Karossen zu, als hofften sie, ihr Schicksal werde sich wenden. Das Stimmengewirr drang durch die dünnen Fensterscheiben der Kutsche. Ein Geschrei, so zeitlos wie die ausgemergelten Gesichter.
    »Ham’ Sie’nen Schilling über für’nen armen Krüppel?«
    »Kommen Sie, Mister, und trinken Sie was mit mir. Sie werden’s nicht bereuen. Angel heiß ich, und ich kann Ihnen den Himmel zeigen!«
    »Katzenfleisch! Wer will frisches Katzenfleisch?«
    Gerard suchte Lucys Gesicht nach einer Regung ab und begriff selbst nicht, weshalb es ihm so wichtig war, wie sie auf diese Gegend reagierte. Sie starrte stur geradeaus, die zartgliedrige Gestalt so kalt und reglos wie die griechischen Statuen, denen sie glich. So kalt wie der Marmorklumpen, den sie ihr Herz zu nennen wagte. Unbändige Enttäuschung drückte ihm die Magengrube ab. Er drehte sich zum Fenster, wohlwissend, dass er erleichtert sein sollte, ihren Anblick nicht länger ertragen zu können.
    Die hochherrschaftliche Kutsche war ein Stück voraus, die Fahrgäste gierig darauf versessen, dem armseligen Gedränge zu entrinnen. Das riesige Vehikel raste auf eine verlassene Straßenecke zu und wurde schneller, je heftiger der Kutscher die schönen Apfelschimmel zum Galopp peitschte.
    Gerard sah Lucys Kopf zum Fenster herumschnellen und hörte ihr entsetztes Japsen. Jetzt sah auch er das zerlumpte Kind aus der Seitengasse rennen, die Arme ausgestreckt, als wolle es ein Stück des Glanzes greifen, der da vorbeidonnerte. Eine Sekunde später wurde das Kind weggeschleudert und lag leblos am Boden, während die Kutsche wild schaukelnd um die Kurve verschwand.
    Gerard brüllte Fenn zu anzuhalten, doch noch bevor die Kutsche stand, hatte Lucy schon die Tür aufgerissen und war in den strömenden Regen hinausgesprungen.

10
     
    Gerard schwang sich aus der Kutsche. Lucy kniete schon auf der Straße, das Kind auf dem Schoß.
    Sie hob das Gesicht. Die Tränen auf ihren blassen Wangen mischten sich in den Regen. Schmerz und Zorn verzerrten ihre Stimme. »Sind die blind? Sie mussten sie doch sehen! Sie haben nicht einmal angehalten! Um Himmels willen, sie haben nicht einmal abgebremst!«
    »Sie hatten vermutlich Angst, dass man ihnen ihre Plätze beim Abendessen wegschnappt«, erwiderte Gerard grimmig und ging neben ihr in die Knie, um den Herzschlag des Kindes und die dünnen Gliedmaßen zu untersuchen.
    Das kleine Mädchen wand sich unter seinem prüfenden Griff. Ihre Augen flatterten auf, riesig in dem ausgemergelten Gesichtchen. Unverhohlen ehrfürchtig sah sie zu Lucy auf. »Bin ich tot, Miss? Sind Sie ein Engel?«
    Lucy fing zu lachen an, ein freudiges Geriesel aus Tönen, das Gerard direkt ins Herz traf. Ihm wurde klar, dass er sie nie zuvor hatte lachen hören.
    »Ich bin kein Engel, fürchte ich, Liebes. Mein Vater würde dir das sicher gerne bestätigen.«
    Gerard strich dem Kind eine Strähne aus der schmutzigen Stirn. »Sie hat nur einen Schreck, ein paar Kratzer und Blutergüsse, das ist alles.«
    Eine Frau kam auf sie zugelaufen, aufs Schäbigste aufgeputzt – was sie mehr als Dirne kennzeichnete als das halb aufgeknöpfte Oberteil und die nackten Füße. Ganz offensichtlich hatte sie in blinder Panik einen Freier sitzen lassen, doch die Zeit, ihr Hütchen festzustecken, hatte sie sich noch genommen. Es überraschte Gerard nicht. Er hatte hinreichend Erfahrung mit der Mitleid erregenden Entschlossenheit derer, die nichts mehr haben außer ihrem Stolz. Der mottenzerfressene Federschmuck des Hütchens baumelte vom Regen triefend herunter.
    Die Frau riss

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