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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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Recht er hatte, und schoben unerbittlich die Falten des Negligés auseinander, als das Skizzenbuch zu Boden fiel und ihnen die meisterhafte Zeichnung eines aus dem Nebel gleitenden majestätischen Schoners zu Füßen legte, in dessen Bug ein einziges unmissverständliches Wort geschnitzt war.
    Retribution .

12
     
    Lucy erstarrte in Claremonts Armen, während sie beide die Zeichnung betrachteten. Seine Umarmung veränderte sich kaum merklich; der Arm unterhalb ihres Busens schloss sich fester und kettete sie unerbittlich an die muskulöse Mauer seiner Brust. Sein Atem dröhnte an ihrem Ohr wie entfernter Donnerhall.
    Überwältigt von seiner Stärke, seiner spürbaren Kraft, seiner männlichen Haltung, fing Lucy zu zittern an. Sie sehnte sich danach, sich zu ihm umzudrehen, ihren Körper an den seinen zu schmiegen und ihm wie die Opfergabe für einen heidnischen Gott die geöffneten Lippen darzubieten – und sie schämte sich dafür. Ein ganzes Leben im Schatten des Admirals hatte nicht ausgereicht, sie gegen diese Verletzlichkeit zu feien, gegen diese Angst, dem Willen eines anderen anheim zu fallen. Wie betäubt davon, diesen gefährlichen Tanz schon einmal getanzt zu haben, zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, kniff sie die Augen zu.
    »Hören Sie auf! Sie tun mir weh!«, log sie und versuchte verzweifelt, dem Anschlag auf ihre verwirrten Sinne zu entgehen.
    Er ließ sie so abrupt los, dass ihr schlechtes Gewissen sie schon glauben ließ, sie hätte ihm wehgetan. Immer noch unsicher auf den Beinen, wollte sie nach dem Skizzenbuch greifen. Doch Gerard riss es ihr mit einer Heftigkeit unter den Händen weg, die ihr bedeutete, dass sie nicht länger harmlos Katz und Maus spielten.
    »Was in aller Welt soll das?« Er zog hinter dem Binokel die Augen zu Schlitzen zusammen, während er das Buch durchblätterte, und achtete trotz aller Erregung darauf, nichts zu verschmieren oder zu zerknittern.
    Lucy schwieg. Sie wusste, was er entdecken würde. Skizze auf Skizze immer wieder das Geisterschiff, das sie seit jenem Moment verfolgte, seit es die Nebel ihrer Fantasie durchschnitten hatte. Die Retribution vor dem Kürbiskopf des Herbstmondes. Die Retribution auf dem Kamm eines Wolkengebirges. Die Retribution am Rand eines wirbelnden Mahlstroms. Die Retribution mit exakt herausgearbeiteter Takelage, die ein unirdisches Netz aus Blitzen in eisiges Silber tauchte.
    Claremonts gepresste Stimme sprühte vor Zorn. »Eine ziemliche Abkehr von Ihren braven Seestücken, würde ich sagen. Strotzend vor Leidenschaft und Erhabenheit.«
    Dann verstummte er plötzlich, sein Schweigen furchteinflößender, als seine hektische Suche es gewesen war. Als er sich auf dem Absatz zu ihr umdrehte, entschlüpfte Lucy ein verschreckter Quietscher. Er war mehr als nur wütend. Das dunkle Blitzen seiner Augen degradierte die ständigen Wutausbrüche ihres Vaters zu infantilem Missmut. Er kam einen Schritt auf sie zu; Lucy wich einen zurück.
    Die Wand verhinderte jeden weiteren Rückzug. Lucy drückte sich dagegen und überlegte schon, ob sie nach Smythe rufen sollte, da fragte Claremont freundlich: »Sagen Sie mir, Miss Snow, hat es in Ihrer Familie Fälle von Wahnsinn gegeben?«
    Sie zerrte den Halsausschnitt des Negligés zusammen. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Das da sind einfach nur Zeichnungen. Völlig bedeutungslos.«
    Er hielt ihr eine der Skizzen hin. Ein Mann, eher Geist als real, in Nebel gehüllt, die gespenstischen Schatten einer Schiffstakelage kreuz und quer im bärtigen Gesicht. »Das ist er doch, oder? Ihr heiß geliebter Captain Doom.«
    Sie neigte den Kopf und studierte die Zeichnung, als hätte sie sie nie zuvor gesehen. »Ich weiß nicht. Das könnte jeder sein.«
    Claremonts bohrender Blick schien ihr die dünne Seide von der Haut zu sengen. »Haben Sie eine Vorstellung davon, was das bedeutet?«, fragte er leise. »In welche Gefahr Sie sich gebracht haben? Glauben Sie denn, Doom könnte es sich leisten, Sie am Leben zu lassen, wenn er von diesen Zeichnungen wüsste?« Er fing zu brüllen an. »Glauben Sie das wirklich?«
    Lucy zuckte zusammen. Claremont fluchte vor sich hin, drehte sich um, marschierte durchs voll gestellte Zimmer und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Sie haben es anscheinend darauf angelegt, meine Aufgabe zu einer echten Herausforderung zu machen, Miss Snow. Ich kann mir vorstellen, wie dankbar die Royal Navy gewesen sein muss, derart detaillierte Bilder zu bekommen. Sobald sie in Umlauf

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