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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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»Banbury-Dirnchen, süß wie ein Birnchen«, aber ihr hohles Gesumme erinnerte sie nur schmerzlich daran, wie leer ihr Leben gewesen war, bevor Claremont sich hineingeboxt hatte.
    Doch seit er die Zeichnungen Captain Dooms entdeckt hatte, versteckte sich ihr Leibwächter hinter einer Mauer aus kalter Professionalität. Verschwunden war der Mann, der sie in der Nacht ihres improvisierten Picknicks mit solch diebischer Freude geneckt und beschwatzt hatte. An seine Stelle war ein pünktlicher, ordentlich gekleideter Fremder getreten, der sie mit der respektvollen Hochachtung des Bediensteten behandelte.
    Nichts an Claremonts Benehmen gab Anlass, sich bei Vater zu beschweren. Er zog höflich den Hut und verbeugte sich elegant, wann immer sie einen Wunsch äußerte. Bei gesellschaftlichen Anlässen blieb er beim Wagen oder hielt unbeweglich an irgendeiner Ecke Wache und machte mit reservierter Miene die anderen Gäste nervös. Sogar Sylvie war seine ungewöhnliche Pflichtversessenheit aufgefallen.
    Und morgens, wenn Lucy bei Sonnenaufgang aus dem Bett krabbelte, stand die knorrige alte Eiche verlassen auf ihrem Posten und streckte dem freudlosen Himmel zitternd die nackten Zweige entgegen.
    Seine bewusste Reserviertheit stellte eine Strafe für sie dar, mit der sie nicht gerechnet hatte. Zum ersten Mal begriff sie, wie sehr sie seine impertinent finstere Miene genossen hatte, sein spöttisches Lächeln und sein übertriebenes Gegähne, wenn Vater schwadronierte. Doch jetzt war sein ausdrucksstarkes Gesicht verschlossen und unergründlich.
    Sie zupfte die Handschuhe zurecht. Claremont ließ ihr keine andere Wahl, als zu ihrem Hausherrinnen-Gehabe zurückzukehren, doch sie war nicht mehr mit dem Herzen dabei.
    Die Kutsche kam zum Stehen. Es war Samstagabend, und es wimmelte nur so auf der Catherine Street – die Leute unterhielten sich lauthals, Kutscher fluchten und brüllten, unruhig stampften und wieherten die Pferde.
    Als sich der Schlag der Kutsche nicht öffnete, klopfte Lucy mit dem Elfenbeingriff ihres Fächers an die Frontscheibe.
    Grinsend wie ein Kürbiskopf, tauchte Fenns freundliches Gesicht auf. »Verzeihung, Miss. Verteufeltes Durcheinander, dieser Verkehr, werden warten müssen.«
    Lucy griff nach Handschuhen und Tasche. »Sylvie vergibt es mir nie, wenn wir die erste Szene verpassen. Es sind nur noch ein paar Blocks, wir gehen besser zu Fuß.«
    Claremont sprach, ohne sich umzudrehen: »Das dürfte kaum ratsam sein, Miss Snow.«
    Dann erst recht, dachte sie wütend. »John!«, rief sie. »Helfen Sie mir beim Aussteigen.«
    Doch es war nicht der sommersprossige Diener, sondern Claremont, der mit solcher Wucht den Schlag der Kutsche aufriss, dass Lucy schon glaubte, die Tür würde aus den Angeln fliegen. Sie war nicht vorbereitet auf das seltsame warme Gefühl, das sie mit einem Mal überkam. Der Anflug von Übellaunigkeit, der die Lippen ihres Leibwächters umspielte, ließ sein Gesicht nur noch unwiderstehlicher wirken. Ein entsetzlicher Drang, ihn anzufassen, seine wundervollen Lippen mit den Fingerspitzen entlangzufahren, bis der angespannte Zug verschwunden war, überkam sie.
    »Ich kann Ihnen nur abraten«, sagte er. »In dieser Menschenmenge wird es schwer werden, Sie zu beschützen.«
    »Unsinn, Mr. Claremont. Ich habe größtes Vertrauen in Ihre Fähigkeiten.«
    Er rührte sich weder vom Fleck, noch reichte er ihr die Hand, so dass sie sich gezwungen sah, sich an ihm vorbei aus der Kutsche zu quetschen. Der kurze Körperkontakt ließ sie schwindlig werden. Sie ignorierte die steife Brise, die sich durch ihr dünnes Cape biss, und eilte voraus, so dass er keine andere Wahl hatte, als ihr zu folgen. Das Licht der wenigen Straßenlaternen reichte kaum aus, die abendliche Dunkelheit zu durchdringen.
    Als sie den ersten Häuserblock hinter sich hatten, ließ Lucy den Fächer fallen und hielt inne. »Wären Sie so freundlich, mir meinen Fächer zu holen?«, fragte sie schließlich.
    Er tat wie geheißen und knallte ihn ihr in die Hand.
    Ein kurzes Stück weiter, und die seidene Tasche rutschte ihr vom Arm. »Wie ungeschickt von mir.« Sie schaute ihn bittend an. »Wären Sie so freundlich …«
    Er atmete rhythmisch Dampfwolken aus. Lucy witterte schon den Sieg und marschierte zum dunklen Eingang eines Buchladens weiter, während Claremont sich nach der Tasche bückte. Sie war viel zu vertieft in ihr Spielchen, als dass sie die drei dunklen Gestalten bemerkt hätte, die auf die Tür daneben

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