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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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doch er selbst die größte Gefahr für sie darstellte?
    Er legte den Kopf in den Nacken und ließ sich die eisigen Regenpfeile ins Gesicht prasseln. Sie konnten seinen Zorn nicht abkühlen. Es war an der Zeit, diese lächerliche Scharade zu einem Ende zu bringen. Das war ihm klar, seit er Lucys verfluchte Zeichnungen gesehen und ihr liebevolles Plädoyer für Captain Doom gehört hatte. Was für ein Jammer, dass der abgestumpfte Piratenkapitän wohl nie angemessen würdigen würde, welche – wenn auch irregeleitete – Loyalität die Tochter seines Feindes ihm entgegenbrachte.
    Er stieß sich von der Wand ab. Er hatte eigentlich vorgehabt, seine junge Mistress zumindest noch nach Hause zu bringen, so prädestiniert wie Lucy für Missgeschicke war, aber den einen Häuserblock bis zur Kutsche würde sie wohl ohne ihn schaffen.
    Er musste dankbar sein, diese Farce hinter sich zu haben, redete er sich ein, während er die Augengläser abnahm und in die Tasche steckte. Er ging die Straße hinunter, doch unerbetene Erinnerungen begleiteten jeden seiner Schritte: wie er Lucy im Regen in seinen Gehrock gewickelt hatte … sie mit süßen Leckereien gefüttert hatte … sie so fest an sich gezogen hatte, dass sie sich angefühlt hatte, als sei sie jener Teil von ihm, der ihm von Geburt an gefehlt hatte. Und nun, nachdem er für kurze Zeit ganz hergestellt gewesen war, war der Phantomschmerz umso größer.
    Er brauchte sich nicht anzustrengen, sich zu vergegenwärtigen, wie sie sich in ihrem dünnen Kleid an ihn geschmiegt hatte, als er sie in jener Nacht in die Arme genommen hatte. Er spürte ihr feuchtes Haar seine Wange kitzeln. Roch den zarten Duft der Seife, warm von den geheimen Tälern ihres Körpers, der wie ein Aphrodisiakum seinen Körper in Brand gesetzt hatte. Seine Lenden hämmerten empörten Protest und quälten ihn, wie er es verdient hatte.
    Er beschleunigte seinen Schritt. Auch wenn er sich aus Miss Snows Diensten zurückgezogen hatte, mit ihrem Vater war er noch nicht fertig. Die harte Kante der Pistole drückte an seine Rippen.
    Hinter ihm war ein gedämpfter Schrei zu hören. Er blieb stehen. Die Menschen liefen an ihm vorbei, schreckten vor seiner finsteren Miene zurück.
    »Mein Prinzesschen möchte vermutlich, dass ich eine Kakerlake für sie zertrete, auf dass sie sich ihre zierlichen Schuhchen nicht schmutzig macht«, murmelte er. »Tut mir Leid, Eure Hoheit, dieses Mal nicht.«
    Er ignorierte das hohle Gefühl in der Magengegend und ging weiter, die langen Schritte noch entschlossener als zuvor. Er spielte für Lucinda Snow nicht mehr den Ritter in glanzloser Rüstung.
    Er erstarrte mitten im Gehen. Denn übers heisere Geschrei der Menge kam ein Schrei geflogen, den er nie zu hören gedacht hatte. Ein einziger Name, gehüllt in einen Schreckenslaut, der sein Blut zu Eis gefrieren ließ.
    Gerard .

13
     
    Die Wucht des ersten Schlags, den Gerard gegen die Angreifer führte, erschütterte Lucy wie die Breitseite eines Schlachtschiffs mit vierundsiebzig Kanonen.
    Keine Gelegenheit, Luft zu holen; nur schnell dem Gewirr aus Armen und Beinen entfliehen und an die Wand gekauert. Viel zu hilflos, mit dem Gezittere aufzuhören, zerrte sie sich die Fetzen des Capes um die Schultern, taub für alles bis aufs unkontrollierbare Klappern ihrer eigenen Zähne.
    Mit kalter Präzision erledigte ihr Leibwächter die Schurken. Den einen packte er am langen, strähnigen Haar und knallte sein Gesicht gegen die Ziegelmauer. Der Mann brach als jammerndes Häuflein auf dem Kopfsteinpflaster zusammen.
    Ein anderer stürmte von hinten auf Gerard los. Lucy wollte ihn warnen, aber ihre Stimme verweigerte die Mitarbeit. Doch ihr heiserer Piepser war ohnehin überflüssig, denn mit dem scharfen Instinkt des geborenen Kämpfers schoss Gerard herum und schlug dem Mann mit solcher Wucht die Faust ins Gesicht, dass auch noch der Rest der verrotteten Zähne herausflog. Der aufgebrachte Straßenräuber war dumm genug, ein Messer zu ziehen und Gerard erneut herauszufordern. Doch bevor die zackige Klinge seine Wange berührte, hatte Claremont ihn am Handgelenk gepackt und drehte es herum.
    Ein Knirschen folgte. Lucy kniff die Augen zu.
    Und riss sie wieder auf, als sich das nächste Geräusch noch vernichtender anhörte.
    Mit gespreizten Beinen stand Gerard auf dem Kopfsteinpflaster. Nur die glänzende Pistole in seiner Hand wirkte noch mörderischer als er selbst. Lucy hörte auf zu zittern. Ein Schauder durchzuckte sie, als sie

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