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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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sentimentale Närrin?«, flüsterte sie.
    Er lockerte seinen Griff. Seine Hand wanderte hinauf und strich ihr eine feuchte Strähne von der Wange. Lucy stockte ob seiner Zärtlichkeit der Atem. »Im Gegenteil, meine liebe Lucy. Es ist Ihr nobler Captain Doom, den ich für einen Narren halte. Wenn mir eine Frau wie Sie auf Gnade und Ungnade ausgeliefert wäre, ich würde sie nicht gehen lassen.«
    Doch genau das tat er dann und verließ den Raum, ohne sich auch nur einmal umzudrehen.
    Als Lucy am nächsten Morgen um exakt neun Uhr null in die Bibliothek schlüpfte, schritt ihr Vater schon vor dem Schreibtisch auf und ab, Smythe polierte einen Messingsextanten, als hinge sein Leben davon ab, und ihr Leibwächter war nirgendwo zu sehen.
    Sie hatte den größten Teil der Nacht einen schlaflosen Kampf gegen ihr Bettzeug geführt und herauszufinden versucht, ob sie beleidigt oder geschmeichelt sein sollte, ängstlich oder besänftigt, beschützt oder kompromittiert. Sie wusste nur, dass sie nicht die Kohlezeichnung Dooms sah, wann immer sie die Augen schloss, sondern haselnussbraune Augen voller Leidenschaft.
    Sie rutschte auf ihren Stuhl und hoffte Frieden zu finden, indem sie zum gleichförmigen Rhythmus ihres normalen Tagesablaufs zurückkehrte, wo das Nachdenken weder erforderlich war noch erwünscht.
    Der Gehstock klopfte Stakkato aufs Parkett, während Vater mit finsterer Miene auf sie zuhinkte. Wie schneebeladene Wolken hatten sich die Brauen über der Adlernase zusammengezogen. Derselbe Blick wie nach ihrer Rettung von der Retribution , derselbe Blick wie damals, als sie noch ein Kind gewesen war und seine Uniformstiefel mit chinesischer Tusche geschwärzt hatte, um ihm eine Freude zu machen.
    Sie konzentrierte sich darauf, Stifte und Papier zu ordnen, widerstand dem überwältigenden Drang, drauflos zu plappern und grässliche Sünden zu gestehen, Verbrechen aus Leidenschaft, die sie allein in fiebrigen Träumen begangen hatte.
    »Guten Morgen, Vater. Du scheinst gut geschlafen zu haben«, zwang sie sich zu sagen, als sei sie ihm die letzten fünf Tage über nicht absichtlich aus dem Weg gegangen.
    Er schnaubte missmutig. »Anscheinend aber nicht so gut wie dein Mr. Claremont.« Er zog das Chronometer hervor und starrte es an. Seine Gesichtsfarbe nahm einen noch röteren Ton an. »Was in aller Welt geht hier eigentlich vor? Ist diesem Haushalt denn jegliche Disziplin abhanden gekommen? Was kommt wohl als Nächstes, Smythe? Werden Sie jetzt auch bald bis Mittag im Bett bleiben?«
    »Ich denke nicht, Sir.« Der Butler machte pflichtschuldigst einen entsetzten Eindruck. Müßiggang war auf des Admirals persönlicher Todsündenliste die Nummer zwei. Gleich nach Ehebruch und vor Vater- und Muttermord.
    Den Kopf in ein Buch gesteckt, erschien Mr. Claremont unter der Tür. Der Anblick seiner unbeugsamen Schultern verknotete sämtliche vernünftigen Vorsätze Lucys in hoffnungsloses Wirrwarr. Der Admiral starrte angelegentlich auf die Kaminuhr und räusperte sich mit der Gewalt eines Kanonenschusses.
    Claremont blickte auf und hinderte Lucy mit treuherzigem zimtfarbenem Blick hinter polierten Augengläsern am Sprechen. »Bitte um Vergebung, Sir. Aber Lord Howells Schilderung Ihres Triumphs bei Sadras hat mich dermaßen in Beschlag genommen, dass ich jegliches Zeitgefühl verloren habe.«
    Die verbindliche Unschuldsmiene ihres Leibwächters war so überzeugend, dass selbst Lucy geneigt war, ihm zu glauben. Der Mann war ein brillanter Lügner. Ein Charakterzug, den ihr wankelmütiges Herz besser nicht vergaß.
    Claremont sackte auf seinen Stuhl, blätterte einen Stapel vergilbter Briefe durch und bekam den durchdringenden Blick des Admirals nicht mehr mit. Lucy konnte förmlich sehen, wie sich in Vaters Kopf die Rädchen des Argwohns zu drehen begannen.
    Eine düstere Vorahnung schlug ihr auf den Magen. Besser als jede andere wusste sie, dass, wer des Admirals Vertrauen einmal verloren hatte, es nie mehr zurückgewinnen konnte.
     
    Lucy hockte in der Kutsche und sann darüber nach, wie groß das Wageninnere doch geworden war, seit Mr. Claremont oben bei Fenn auf dem Kutschbock saß. Nicht einmal der eiskalte Regen, den der aufgewühlte kohlschwarze Himmel ihnen androhte, vermochte es, Claremont zu ihr hereinzutreiben.
    Sie waren zum Royal Theatre in der Drury Lane unterwegs, um die große Sarah Siddons die Lady Macbeth geben zu sehen. Das Stück, dachte Lucy unheilvoll, passte gut zu ihrer Stimmung. Sie versuchte sich an

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