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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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vor, hungerte danach, berührt, verzärtelt und von liebenden Händen gestreichelt zu werden. Seinen Händen.
    Eine einsame Träne tropfte von ihrer Nasenspitze. Sie war über alle Maßen empört, ein derart unwürdiges Symptom der Hysterie zu zeigen. Hör mit dem Geschniefe auf, Lucinda. Er tut nur seine Arbeit. Und mach keinen solchen Buckel. Unwillkürlich setzte Lucy sich kerzengerade auf und drückte den Rücken ans hölzerne Kopfende des Betts.
    »Sie haben mich nie zuvor beim Vornamen genannt«, beendete er professionell das peinliche Schweigen. »Ich war nicht sicher, ob er Ihnen überhaupt bekannt ist.«
    Lucy schluckte schwer und zwang sich ein unverbindliches Lächeln auf die Lippen, während sie daran dachte, wie oft sie gedankenverloren seinen Namen gekritzelt hatte, wenn sie doch eigentlich ein Diktat aufnehmen sollte. »Um ehrlich zu sein, ich wusste, er fängt mit G an, aber ich war nicht ganz sicher, ob Sie nun Gaston heißen oder Gomer oder …«
    Ihre Blicke trafen einander. Lucy versagte die Stimme. Sie nahm ihn nur noch verschwommen wahr. Ein tückischer Schluckauf machte sich bemerkbar. Doch bevor sie noch die Hand vor den Mund schlagen konnte, brach ein Sturzbach aus Schluchzern heraus.
    Gerard war in zwei Schritten durchs ganze Zimmer. Er setzte sich aufs Bett und nahm sie in die Arme, als sei sie ein kleines Kind. »Ist schon gut, Mäuschen. Ich lasse nicht zu, dass irgendwer Ihnen was tut.«
    Mäuschen . Lucy wollte an ihm schmelzen wegen dieses beiläufig dahingesagten Koseworts. Hatte sich so ihre Mutter gefühlt, als die unwiderstehlich süße Verlockung ihr begegnet war?
    Gerard presste sie an sein hämmerndes Herz und strich mit der Wange über ihr Haar, während Lucys Körper sich in der Gewalt des emotionalen Sturms schüttelte. Besser als jeder andere verstand er, was die Tränen sie kosteten. Sie war keine Frau, die leicht oder grundlos weinte. Sie weinte, als wolle sie sich all der Tränen entledigen, die sie ihr Leben lang hinuntergeschluckt hatte – und mit dem ungerechten Verlust der Mutter fing sie an.
    Als das Weinen zu abgehackten Schluchzern versiegt war, versuchte sie, sich aus seinen Armen zu winden. Doch Gerards eiserner Griff gestattete ihr lediglich, in eine würdevollere Position zu rutschen. Er nahm das Halstuch ab und tupfte ihre Wangen.
    »Sie müssen mich für eine schamlose Heulsuse halten«, brachte sie schniefend heraus. Er hielt ihr das Halstuch hin, und kräftig schnäuzte Lucy hinein. »Diese Hysterie ist völlig unentschuldbar. Die Männer haben mir nicht einmal wehgetan. Sie haben mir lediglich einen Schrecken eingejagt. Ich fürchte, Sie haben mich ertappt.« Sie grub das Gesicht in seine Weste. »Ich bin ein Feigling ohne jedes Rückgrat.«
    Seine Hand studierte sanft jeden zarten Hügel des fraglichen Rückgrats, als wolle sie ihre Worte widerlegen. Er legte das Kinn auf ihren Scheitel und sprach die Worte, die ihm am Herzen lagen, seit er sie das erste Mal gesehen hatte. »Sie sind ein tapferes Mädchen, Lucinda Snow. Die Tapferste von allen. Wären Sie es nicht, Sie hätten es nie gewagt, einem Schurken wie Doom die Stirn zu bieten.«
    Erneut schüttelte ein Weinkrampf sie durch. Gerards Arm schloss sich so besitzergreifend um sie, dass er selbst darüber erschrak. Er hatte gehofft, es sei vorbei mit ihrer sinnlosen Vernarrtheit in Doom, doch die bloße Erwähnung seines Namens ließ ihre Schultern beben.
    »Nicht weinen«, flüsterte er eindringlich in ihr Haar. »Er ist die Tränen nicht wert.«
    Lucy hob den feucht bewimperten Blick, doch es war keine Traurigkeit, die in den Tiefen ihrer Augen aufblitzte, sondern Heiterkeit. Ihre kehlig lachende Altstimme erwischte Gerard vollkommen unvorbereitet und ließ ihn mit ihrem Zauber schwindlig werden.
    »Jetzt reden Sie schon wie Sylvie«, sagte Lucy. »So Leid es mir tut, aber ich werde wohl meinen Ruf ruinieren müssen. Ich bin nicht die unerschrockene Heldin gewesen, die einer von Mrs. Edgeworths Romanen entsprungen sein könnte. Meine Begegnung mit Doom war von Anfang bis Ende das reinste Fiasko.«
    Ein Fiasko? Gerard erschauderte bis aufs Mark, als er sich ausmalte, welch grausiges Schicksal sie in Dooms ruchlosen Händen hätte ereilen können.
    Er nahm ihren Anblick in sich auf, als sähe er sie zum ersten Mal. Das zerzauste Haar. Die rosa Nasenspitze. Die grauen Augen, immer noch glänzend vom Sturzbach der Tränen. Sein Blick wanderte ihren Hals hinab, wo eine dunkle Strieme die blasse Haut

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