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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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das indignierte Geschniefe. »Ich hab ihm keinen Anlass dazu gegeben. Ich war ein braves Mädchen. Finden Sie nicht auch, dass ich ein braves Mädchen bin, Mr. Claremont?«
    »Unbedingt«, erwiderte er, als seine forschenden Finger die zarte, nackte Haut oberhalb des Strumpfbandes erreicht hatten.
    »Sylvies ältester Bruder hat mir beim Tanzen ein neues Lied beigebracht. Wollen Sie es hören?«
    »Nein.«
    Lucy hob ungerührt den Kopf und legte los:
    Übers Meer um Mitternacht
segelt Captain Doom.
Nicht nützt dir mehr die Adelspracht,
du kannst nichts dagegen tun.
Der Lady reißt das Herz er raus,
dieser Captain Doom,
dann raubt er ihr die Jungfernschaft.
    Gerard zuckte zusammen und biss die Zähne aufeinander. Jesus, er hasste diesen verfluchten Piraten! Er bedauerte nur, dass er Lucy nicht gleichzeitig den Mund zuhalten und unter den Rock greifen konnte. Eine Vorstellung, die seine Handflächen derart ins Schwitzen brachte, dass er Lucy fast hätte fallen lassen.
    Die Eingangstür flog auf, als sie näher kamen. Gerard zögerte, weil er Lucy in dieser unwürdigen Position keinem einfältig grinsenden Lakaien vorführen wollte. Er seufzte erleichtert, als schließlich Smythe erschien, eine flackernde Kerze in der Hand, die wabernde Schatten auf das verbindliche Lächeln und den fließenden Hausmantel warf.
    Ohne wegen Lucys ungewöhnlicher Fortbewegungsart auch nur mit der Wimper zu zucken, sagte er: »Guten Abend, Mr. Claremont. Miss Lucy. Ich bin sicher, es war ein vergnüglicher Abend.«
    »Einigermaßen jedenfalls«, erwiderte Gerard. »Wir mussten ein wenig verfrüht abbrechen.«
    Smythe sprach zu Lucys wackelndem Hinterteil. »Eine vernünftige Entscheidung, wie mir scheint, Sir.«
    Lucy wand sich herum, damit sie ihn sehen konnte. Gerard kam ihr entgegen, indem er sich seitwärts drehte.
    »Ich hab ein neues Lied gelernt heut Abend. Willst du es hören, Smythe?«, fragte sie allen Ernstes.
    Der Butler legte den Finger auf die Lippen. »Morgen früh, vielleicht, Miss Lucy. Ich habe schreckliches Kopfweh.«
    Der Mann sah wirklich blass aus, stellte Gerard fest. Die Linien um seine Augen sahen wie die Schattierungen in Lucys Zeichnungen aus. Er konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob Smythe an etwas litt, das bei weitem schlimmer war als einfache Kopfschmerzen.
    »Armer Smythe«, flötete Lucy und zupfte die Quaste seiner Schlafmütze zurecht. »Armer, lieber Smythe.«
    Der Butler stellte den Kerzenhalter auf einem Beistelltisch ab und streckte die Arme aus. »Darf ich, Sir?«
    In einer Art primitivem Reflex schlossen sich Gerards Arme um das kraftlose Bündel auf seiner Schulter. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, wie unvorbereitet es ihn traf, sie gehen lassen zu müssen.
    Smythe schien zu begreifen, dass nicht mehr viel fehlte, dass Gerard mit Lucy in die Nacht verschwand. Also bedachte er ihn mit einem Lächeln, das so freundlich wie müde war. »Ich kümmere mich schon um sie, Sir. Das habe ich immer getan.«
    Gerard ließ Lucy in Smythes Arme sinken. Der Butler war nicht gerade groß gewachsen, doch er trug sie, als sei sie schwerelos. Lucy kuschelte sich an seine Brust und war schon halb eingeschlafen.
    Gerards Arme spürten schmerzlich die Leere.
    Als Smythe sich zur Treppe aufmachte, blinzelte Lucy Gerard schläfrig über die Schulter zu.
    »Nacht, Gerard.«
    »Nacht, Mäuschen.«
    Ihr wehmütiges kleines Winken brach ihm fast das Herz. Er warf ihr zum Abschied eine Kusshand zu, dann blieb ihm nichts anderes übrig, als in die Dunkelheit zu verschwinden, wo er hingehörte.
     
    Vor ihrer Schlafzimmertür angekommen, streifte sich Lucy die Schuhe von den Füßen. »Ich bin ein böses Mädchen gewesen, Smythe. Ich hab drei Gläser Champagner getrunken. Schockiert dich das?«
    »Über alle Maßen«, erwiderte Smythe in einem Tonfall, der das Gegenteil bekundete.
    Er machte sich nicht die Mühe, sie zu entkleiden, sondern packte sie, tüchtig wie er nun einmal war, einfach unter die Tagesdecke und legte noch schnell ein Scheit aufs Kaminfeuer.
    Lucy überkam völlig unerwartet ein Anfall von Traurigkeit. »Es spielt überhaupt keine Rolle, oder?«
    Smythe ließ den Schürhaken sinken und richtete sich auf. »Was spielt keine Rolle, Miss Lucy?«
    »Ob ich böse bin oder brav. Oder sogar perfekt. Der Admiral wird mich niemals lieb haben, nicht wahr?«
    Smythe starrte nachdenklich ins Feuer. »Dazu ist er, glaube ich, gar nicht fähig. Es ist jedenfalls nicht Ihre Schuld.«
    Trotz und Stolz überkamen

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