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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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sie. »Mr. Claremont sagt, dass ich wundervoll bin.«
    Smythe kam herüber und setzte sich auf die Bettkante. Er war ihr Kindermädchen gewesen, ihr heiß geliebter Freund, so lange sie denken konnte. Das Erste, woran sie sich erinnern konnte, war sein freundliches Gesicht, das sich über ihre Wiege beugte. Sie wusste nur zu gut, wann ihm etwas verhasst war.
    »Sie haben unseren Mr. Claremont recht gerne, nicht wahr?«
    Der Champagner hatte Lucy jeglicher Eloquenz beraubt. Sie konnte nur noch nicken. Ihr Kopf fühlte sich so leicht an, als würde er ihr vom Hals rollen, wenn sie nicht aufpasste.
    »Würde es Sie sehr traurig machen, wenn er fortginge?«
    Eine eisige Furcht erfasste sie. Sie packte Smythe am Arm. »Was ist los, Smythe? Hast du Angst, der Admiral schickt ihn fort, wenn er herausfindet, wie ich mich heute Nacht benommen habe? Du erzählst es ihm doch nicht etwa? Ich schwör für den Rest meiner Tage dem Champagner ab, aber bitte, sag ihm nichts.«
    Er drückte sie aufs Kissen zurück. »Ihr Geheimnis ist sicher bei mir, meine Liebe. Sie sollten jetzt schlafen. Morgen früh ist alles wieder viel besser.«
    Er hatte die Hand schon auf dem Türknauf, als Lucy leise flüsterte: »Du bist ein schlechter Lügner, Smythe.«
    Er schenkte ihr ein trauriges kleines Lächeln. »Ich fürchte, ich bin ein viel besserer Lügner, als Sie ahnen.«
     
    Lucy lag flach auf dem Rücken und sah dem Feuerschein zu, wie er über den Betthimmel flackerte. Durch Smythes rätselhafte Worte war ihre Champagnerlaune verflogen, nur ein bitterer Nachgeschmack war geblieben. Ihre Melancholie verwandelte sich in schieren Trübsinn, je länger sie über eine Zukunft ohne Gerard nachsann.
    Auch wenn da eigentlich nichts Neues auf sie zukam. Ihr Leben würde in seine altbekannten, geordneten Bahnen zurückkehren. Sie, Smythe und der Admiral würden zusammen in diesem Haus hier alt werden und ihre täglichen Routinen dem unbeugsamen Willen des Admirals unterordnen. Die reglementierten Minuten würden wie eine Ewigkeit sein, und der Sand in Vaters unverzichtbarem Stundenglas würde quälend langsam Körnchen für Körnchen rieseln.
    Lucy stöhnte und drückte von einer gespenstischen Melodie verfolgt das Gesicht ins Kissen – die pulsierenden Noten eines Wiener Walzers. Heute Nacht hatte sie in den Armen des Mannes getanzt, den sie liebte, und sich zum ersten Mal im Leben jung und unbeschwert gefühlt.
    Doch jetzt fühlte sie sich uralt. Sie spürte förmlich, wie die Haut zu spannen anfing, die Knochen steif wurden und ihr Herz all des Verzichts wegen zu Staub zerfiel. Sie lag da und versank ins Elend. Dann hörte sie Vaters ungleichmäßige Schritte die Treppe heraufkommen.
    Sie hielt den Atem an, als er sich ihrem Zimmer näherte, genau wie sie es von klein auf getan hatte. Unter seinem rigiden Regiment waren ihre Flügel gestutzt worden, doch von einer ganz bestimmten kindlichen Fantasie hatte ihr trotziges Herz sich partout nicht verabschieden wollen.
    Wenn sie nur fest die Augen schloss und so tat, als schliefe sie, dann würde Vater vielleicht auf Zehenspitzen an ihr Bett geschlichen kommen. Er würde ihr übers Haar streichen, ihr einen Kuss auf die Stirn geben und ihr sagen, was für ein braves Mädchen sie sei und wie stolz er wäre, sie zur Tochter zu haben. Dann würde sie die Augen aufschlagen und in seine Arme fliegen. Sie würden lachen und weinen und endlich den Mut haben, einander zu sagen, wie lieb sie sich hatten.
    Lucy krallte die Finger ins Bettzeug. Wenn Vater heute kam, schwor sie sich, dann versprach sie, Gerard zu vergessen. Und sie würde sich noch mehr bemühen, die brave Tochter zu sein, die er immer hatte haben wollen.
    Ihr ganzer Körper bebte, als draußen vor ihrer Schlafzimmertür etwas zu Boden knallte.
    »Gottverdammt!«, ertönte die Stimme des Admirals – böse, hässlich und ein wenig undeutlich. »Wie oft habe ich dem dummen Kind gesagt, dass es seine Sachen nicht auf den Boden werfen soll! Ist wohl erst zufrieden, wenn ich mir den Hals breche.«
    Lucy ließ die Augen geschlossen, bis sein wankender Schritt verklungen war. Irgendwo oben im Haus fiel scheppernd eine Tür ins Schloss.
    Früher hätte Lucy sich zusammengerollt und kläglich in den Schlaf geweint.
    Heute erhob sie sich gefasst und schlüpfte lautlos aus dem Raum.

16
     
    Genau in der Sekunde, als das anheimelnde Rechteck aus Licht vor ihr lag, das durch die Fenster des Pförtnerhauses fiel, verließ Lucy der Mut. Wie gern hätte sie

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