Verführt: Roman (German Edition)
schlage zurück. Ich bin sehr wohl in der Lage, meine selbstsüchtigen Sehnsüchte zu befriedigen. Sehr wohl in der Lage, ein dummes kleines Mädchen zu kompromittieren, das zu viel Champagner erwischt hat, um die Konsequenzen seines Handelns noch überblicken zu können.«
Lucy hätte geschworen, dass in den harschen Worten ein Flehen mitschwang. »Glauben Sie mir. Besser Sie verbringen Ihre einsamen Nächte mit Ihrem heiß geliebten Geist von einem Mann als mit mir.«
Lucy weigerte sich schlicht, vor ihm zurückzuschrecken. »Ich habe mein ganzes Leben mit dem Schatten eines Vaters und dem Gespenst einer Mutter verbracht. Ich will jemanden zum Anfassen. Jemand Warmes. Jemand Wirklichen.«
»Oh, das ist verdammt viel.«
Gerard biss die Zähne zusammen, um nicht unbeherrscht loszulachen. Bevor er Lucy getroffen hatte, war er sich selbst genauso irreal erschienen wie Doom. Der trübe Schatten jenes Mannes, der er einst gewesen war. Doch nun stand kühn diese Frau vor ihm, das zarte Kinn entschlossen gereckt, das seidige Haar unterm goldenen Haarreif herausrieselnd, und Gerard fühlte sich jeden Zoll wie ein Mann, mit tosendem Blut und glühendem Fleisch, das alle menschlichen Abgründe in sich trug. Der Pulsschlag dröhnte in seinen Ohren und hämmerte ihm die Versuchung in die schmerzenden Lenden.
Hätte Lucy nicht ausgerechnet jetzt ihren trotzigen Stolz vergessen, er hätte dem Sirenengesang vielleicht widerstanden. Doch sie senkte den rauchigen Blick und flüsterte: »Ich verlange keine Versprechungen.«
Er riss sie mit Gewalt an sich und wusste genau, dass er womöglich die letzte Chance vergab, zumindest einem von ihnen beiden Unheil zu ersparen. »Was verlangen Sie dann? Das hier?«
Er ließ sich breitbeinig gegen die Tür fallen, hielt sie mit seinen Schenkeln gefangen und senkte den Kopf. Kräftig stieß er die Zunge in den warmen, feuchten Mund, als wolle er ihre Tugend einer Prüfung unterziehen. Leise jammernd sank Lucy seinen Lippen entgegen und hielt sich an seinen Unterarmen fest, als weigere sie sich, sich fallen zu lassen.
Sein Mund zog plündernd von ihrem Mund zum Ohr. Seine Stimme war nur noch ein brüchiges Flüstern.
»Bist du deshalb hergekommen, mein süßes kleines Mäuschen? Oder vielleicht deswegen?«
Er senkte sanft die Zähne in ihr Ohrläppchen, umfasste mit den Händen ihren Hintern, rieb seine Lenden an ihrem Unterleib und nötigte sie, das ganze Ausmaß seines Verlangens zu begreifen, und den hohen Preis, den ihr Nachgeben sie kosten würde. Lucy schnappte nach Luft.
Er hielt immer noch ihr Hinterteil umfasst, lehnte sich an die Tür und betrachtete sie zwischen den Wimpern hindurch bis zu den vorwitzig bebenden Brüsten hinab.
Er rechnete mit einer wohlverdienten Ohrfeige. Rechnete damit, dass Lucy die eisige Haltung zurückgewann und ihn kalt als den vulgären Bürgerlichen abstrafte, der er nun einmal war. Und er rechnete damit, dass sie in Tränen ausbrach und schreiend zu Smythe rannte.
Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass sie sein Gesicht in kühle Hände nehmen würde, um ihre Lippen mit leidenschaftlicher Inbrunst auf die seinen zu drücken und den letzten Rest seines Widerstands zum Bröckeln zu bringen.
Die selbstlose Zärtlichkeit beschämte ihn so sehr, dass er seinen Griff lockerte und mit den Händen ihren Rücken emporglitt.
»Sie sind betrunken«, flüsterte er an ihre Lippen und hasste sich dafür, sie daran zu erinnern.
»Ich bin beschwipst«, flüsterte sie zurück.
»Ich könnte das ausnutzen«, warnte er sie.
»Versprochen?«
Sie sah so hoffnungsvoll aus, dass ihm ein kehliges Lachen entwich. Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht und war gefangen von der Ernsthaftigkeit in ihren unglaublichen Augen. Ihr blieb nur noch diese eine Nacht, ihn zu lieben – und ein ganzes Leben, ihn zu hassen.
Die Erkenntnis trieb ihn dazu, Lucy in jenem Tanz, der so alt war wie die Zeit, zum Bett zu drängen, denn wer die Tanzschritte einmal gelernt hatte, vergaß sie nie wieder.
Und Lucy stürzte kopfüber in jenen süßen Abgrund, der so verführerisch wie gefährlich war, und nur Gerards Umarmung und der kratzig-weiche Quilt unter ihren Knien bremsten ihren Sturz. Von Angesicht zu Angesicht knieten sie auf dem Bett. Gerards durchdringender Blick ernüchterte sie.
Aus Angst, er werde sie zittern sehen, wollte sie das Licht löschen.
Doch Gerard ergriff ihre Hand. »Nicht! Ich möchte Licht haben.«
Erst jetzt entdeckte Lucy die unzähligen Kerzen, die
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