Verfuehrt von einem Traumprinzen
würde sie je dazu bringen, ihn aufzugeben, schwor sie innerlich. Doch als sie aufblickte und sah, wie Faisals Bruder sie mit kühlem Blick beobachtete, stellte sich erneut dieses Gefühl unguter Vorahnung ein.
„Sollten Sie seine Kopfverletzung nicht von einem Arzt untersuchen lassen?“, fragte er kalt.
Kazim wand sich bereits in ihren Armen. Er wollte auf den Boden gestellt werden und schien schon wieder guter Dinge. „Ihm geht es gut“, erklärte Erin knapp. „Mein Gott, er ist ein lebhafter Dreijähriger, ich kann ihn nicht ständig in Watte packen. Außerdem bin ich eine voll ausgebildete Erzieherin mit Qualifikation in Erster Hilfe“, fügte sie hinzu, als Zahir sie weiter skeptisch anblickte. „Ich bin hervorragend geeignet, um mich um ihn zu kümmern.“
Trotzig hob sie das Kinn und begegnete seinem eisigen, leicht verächtlichen Blick. Erin hasste seine Arroganz, dennoch konnte sie einfach nicht wegschauen. Während sie sich anstarrten, flammte Hitze in den dunklen Tiefen seiner Augen auf, und für den Bruchteil einer Sekunde sah sie ungehemmtes, sexuelles Verlangen darin aufblitzen, doch dann senkte er den Blick und verbarg seine Gefühle wieder.
Aufgewühlt schaute sie zu Gordon Straker hinüber, der sich im Aufbruch befand. „Erin, es tut mir wirklich leid, aber ich muss …“
„Ja, natürlich.“ Sie traf eine rasche Entscheidung, setzte Kazim ab und wandte sich an Alice. „Würdest du kurz auf ihn aufpassen, während ich Mr. Straker nach draußen begleite?“
Sie eilte dem Notar hinterher und hielt ihn am Arm, als er bereits die Haustür erreicht hatte. „Mr. Straker, wann hat Faisal Ihnen den Brief gegeben, den Sie nach seinem Tod an seinen Bruder schicken sollten? Als er mich geheiratet hat?“, fragte sie heiser.
„Oh, nein, es war etwa einen Monat, bevor er gestorben ist. Bis dahin wusste auch ich nicht, dass Faisal eine Familie hat. Wie ich sehe, stellt die Neuigkeit einen gewissen Schock für Sie dar“, fügte er sanft hinzu.
Erin biss sich auf die Lippe. Plötzlich überkam sie das Bedürfnis, sich dem freundlichen Notar anzuvertrauen. „Als Faisal erfuhr, dass er sterben würde, war er verzweifelt darum bemüht, Kazims Zukunft zu sichern“, erklärte sie eindringlich. „Ich habe mich um ihn gekümmert, seit er drei Monate alt war. Faisals Ehefrau ist an Komplikationen, die durch die Geburt verursacht worden waren, gestorben, und als Faisals Gehirntumor vor einem Jahr diagnostiziert wurde, hat er mich gebeten, ihn zu heiraten, damit es leichter für mich wäre, Kazim zu adoptieren. Er sagte mir, dass er keine weitere Familie habe, und er wollte nicht, dass Kazim in einem Waisenhaus groß würde – so wie ich.“
Sie hasste es, über ihre Vergangenheit zu sprechen und senkte den Blick, während sie hastig mit leiser Stimme fortfuhr. „Meine Mutter war drogenabhängig. Sie starb, als ich zehn war. Den Rest meiner Kindheit habe ich in irgendwelchen Sozialeinrichtungen verbracht. Ich war ein schwieriger Teenager, und ich wüsste nicht, wo ich heute wäre, wenn mich meine Pflegeeltern nicht aufgenommen hätten – vermutlich würde ich auf der Straße arbeiten wie meine Mutter, um meinen nächsten Schuss zu verdienen“, gestand sie rau. „Mein Pflegevater hat hier in Ingledean als Gärtner gearbeitet. Als Faisal das Haus kaufte, hat er mich als Kazims Nanny eingestellt. Trotz meines Hintergrundes wusste er, dass ich Kazim lieben und beschützen würde, als wäre er mein eigenes Kind.“
Es verletzte sie, dass Faisal nicht ehrlich zu ihr gewesen war. Er besaß doch eine Familie, und kurz vor seinem Tod hatte er die Entscheidung getroffen, dieser Familie mitzuteilen, dass er einen Sohn hatte. Lag es daran, dass er zu zweifeln begonnen hatte, ob sie seinem Kind eine gute Mutter sein würde? Hatte er beschlossen, dass seine Familie, zu der er seit sechs Jahren keinen Kontakt mehr hatte, an Kazims Erziehung beteiligt sein sollte?
All ihre Zweifel und alten Unsicherheiten stiegen erneut in ihr auf, doch Gordon Straker öffnete die Tür, worauf ein eisiger Wind hereinwehte und Erin aus ihren Überlegungen herausriss.
Der Notar schenkte ihr ein mitfühlendes Lächeln. „ Sie sind Kazims Adoptivmutter, Erin“, sagte er sanft, „und niemand kann Ihnen den Jungen wegnehmen. Es liegt ganz allein an Ihnen, zu entscheiden, ob es im Interesse des Kleinen ist, Kontakt zu seiner Familie in Qubbah aufzubauen.“
Er schlug den Kragen hoch und trat hinaus in den Schnee, doch er wandte
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