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Verführt von einer Lady

Verführt von einer Lady

Titel: Verführt von einer Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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Großmutter alles einfiel … Nein.
    Nein. Er würde es nicht tun.
    Er sah Grace direkt in die Augen. „Nein“, erklärte er. „Das holen Sie ihr diesen Abend nicht mehr. Wenn sie das verflixte Bild in ihrem Zimmer haben will, kann sie morgen einen Lakaien damit beauftragen.“
    „Ich würde wirklich nichts lieber tun, als mich jetzt sofort zurückzuziehen, aber es ist einfacher, ihr ihren Willen zu lassen.“
    „Keineswegs“, erwiderte er. Lieber Himmel, seine Großmutter verbreitete auch so schon genug Schrecken. Er machte auf dem Absatz kehrt und marschierte die Treppe hinauf, um ihr die so dringend fällige Standpauke zu halten. Auf halbem Wege bemerkte er jedoch, dass er allein war.
    Was war diesen Abend nur los mit den Frauen in Lincolnshire?
    „Grace!“, rief er.
    Und als sie nicht sofort unten an der Treppe erschien, lief er noch einmal hinunter und rief lauter.
    „Grace!“
    „Bin schon da“, erwiderte sie und kam eilig um eine Ecke gebogen. „Lieber Himmel, Sie wecken noch das ganze Haus auf.“
    Das ignorierte er. „Sagen Sie jetzt nicht, dass Sie das Gemälde allein holen wollten.“
    „Wenn ich es nicht tue, klingelt sie die ganze Nacht nach mir, und ich bekomme überhaupt keinen Schlaf.“
    Er kniff die Augen zusammen. „Dann passen Sie mal auf.“
    Erschrocken riss sie die Augen auf. „Worauf?“
    „Wie ich ihren Klingelzug abnehme“, erklärte er und begab sich mit neuer Entschlossenheit nach oben.
    „Ihren Klingelzug … Thomas!“
    Ohne innezuhalten, hastete er weiter. Er hörte, wie sie ihm nachlief und beinahe Schritt mit ihm hielt.
    „Thomas, das können Sie doch nicht machen!“, keuchte sie, völlig außer Atem davon, zwei Stufen auf einmal genommen zu haben.
    Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. Dabei grinste er sogar, denn allmählich begann ihm die Sache Spaß zu machen. „Es ist mein Haus“, erklärte er. „Ich kann machen, was ich will.“
    Mit langen Schritten eilte er den Gang hinunter und hielt kaum inne, als er das Zimmer seiner Großmutter erreicht hatte. Die Tür stand praktischerweise offen.
    „Was glaubst du eigentlich, was du da treibst?“, herrschte er die alte Dame an.
    Doch seine Großmutter sah irgendwie … fremd aus.
    Falsch.
    Ihrem Blick fehlte die übliche Härte, und um ehrlich zu sein, sah sie einer Hexe nicht genügend ähnlich, um der Augusta Cavendish zu gleichen, die er kannte und nicht direkt liebte.
    „Lieber Himmel“, rief er unwillkürlich, „alles in Ordnung mit dir?“
    „Wo ist Miss Eversleigh?“, fragte seine Großmutter und sah sich panisch im Raum um.
    „Hier bin ich“, sagte Grace und eilte an ihre Seite.
    „Haben Sie es? Wo ist das Bild? Ich will meinen Sohn sehen.“
    „Euer Gnaden, es ist schon spät“, versuchte Grace ihr zu erklären. Sie schob sich vorwärts und warf der Herzoginwitwe einen forschenden Blick zu, ehe sie noch einmal sagte: „Madam.“
    „Du kannst einen Lakaien anweisen, es dir morgen früh zu bringen“, sagte Thomas und fragte sich, wieso er sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass die beiden Frauen eine unausgesprochene Botschaft ausgetauscht hatten. Er war sich ziemlich sicher, dass seine Großmutter Grace nicht ins Vertrauen zog, und er wusste, dass Grace es ihrerseits auch nicht tat. Er räusperte sich. „Aber ich dulde nicht, dass Miss Eversleigh derartige körperliche Arbeiten verrichtet, schon gar nicht mitten in der Nacht.“
    „Ich brauche das Bild aber, Thomas“, erklärte die Herzoginwitwe, aber nicht so barsch und herrisch wie sonst. Ihre Stimme schwankte sogar ein wenig, ein Zeichen der Schwäche, das ihn zutiefst beunruhigte. Und dann fügte sie hinzu: „Bitte.“
    Er schloss die Augen. Seine Großmutter bat nie um irgendetwas.
    „Morgen“, sagte er und versuchte sich zu fassen. „Gleich in aller Frühe, wenn du möchtest.“
    „Aber …“
    „Nein“, unterbrach er sie. „Es tut mir leid, dass du heute Abend überfallen wurdest, und innerhalb gewisser Grenzen will ich auch alles tun, was deiner Gesundheit und deinem Wohlbefinden dienlich ist, aber völlig verrückte Forderungen unterstütze ich nicht. Hast du mich verstanden?“
    Sie presste die Lippen zusammen, und er sah, wie in ihrem Blick kurz ihr altes, herrschsüchtiges Selbst aufblitzte. Aus irgendeinem Grund fand er das beruhigend. Es war nicht so, dass er ihrem alten, herrschsüchtigen Selbst große Zuneigung entgegengebracht hätte, aber irgendwie war die Welt eher im Lot, wenn sich alle so benahmen,

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