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Verführt von einer Lady

Verführt von einer Lady

Titel: Verführt von einer Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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berauschende, beinahe schwerelose Erregung überkam sie, ein Gefühl, wie man es empfand, wenn einem eine besonders saftige Klatschgeschichte serviert wurde. „Sah er gut aus, ja?“
    Elizabeth sah sie an, als wäre sie verrückt geworden. „Wer?“
    „Na, der Straßenräuber natürlich.“
    Grace stotterte irgendetwas und nahm dann hastig einen Schluck Tee.
    „Dann sah er also gut aus.“ Auf einmal ging es Amelia viel besser. Wenn Wyndham in Grace verliebt war … nun, zumindest erwiderte sie seine Gefühle nicht.
    „Er trug eine Maske “, erklärte Grace.
    „Aber du hast trotzdem sehen können, wie gut er aussah“, drängte Amelia.
    „Nein!“
    „Dann hatte er bestimmt einen schrecklich romantischen Akzent. Französisch? Italienisch?“ Amelia schauderte vor Entzücken, da sie an all die Werke von Byron denken musste, die sie kürzlich gelesen hatte. „Spanisch.“
    „Du spinnst“, erklärte Elizabeth rundweg.
    „Er hatte keinen Akzent“, versetzte Grace. „Na ja, nur einen leichten. Schottisch vielleicht? Oder Irisch? Ich konnte es nicht genau heraushören.“
    Amelia setzte sich mit einem glücklichen Seufzer zurück. „Ein Straßenräuber. Wie romantisch.“
    „Amelia Willoughby!“, schalt ihre Schwester. „Grace wird mit gezückter Waffe angegriffen, und du nennst das romantisch?“
    Darauf hätte sie etwas überaus Bissiges und Sarkastisches gesagt – denn wenn man nicht bissig und sarkastisch zu seiner Schwester sein konnte, zu wem dann? –, doch in diesem Augenblick hörte sie vom Flur ein Geräusch.
    „Die Herzoginwitwe?“, flüsterte Elizabeth Grace zu und verzog das Gesicht. Es war so herrlich, wenn die Dowager Duchess nicht mit ihnen Tee trank.
    „Ich glaube nicht“, erwiderte Grace. „Als ich runterkam, lag sie noch im Bett. Sie war immer noch … ähm … außer sich.“
    „Kann ich mir denken“, sagte Elizabeth. Dann keuchte sie auf. „Haben die sich etwa mit den Smaragden davongemacht?“
    Grace schüttelte den Kopf. „Wir haben sie versteckt. Unter den Polstern.“
    „Oh, wie schlau!“, sagte Elizabeth anerkennend. „Findest du nicht auch, Amelia?“
    Doch Amelia hörte nicht zu. Ihr war klar geworden, dass die Schritte vom Flur zu einer wendigeren Person als der Herzoginwitwe gehörten. Und wie zur Bestätigung kam im nächsten Moment auch schon Thomas an der offenen Tür vorbei.
    Die Unterhaltung verstummte. Elizabeth sah zu Grace, die schaute zu Amelia, und die blickte immer noch auf die inzwischen wieder freie Türöffnung. Alle hielten den Atem an, und dann sagte Elizabeth zu ihrer Schwester: „Ich glaube, er hat gar nicht gemerkt, dass wir da sind.“
    „Das kümmert mich nicht“, erklärte Amelia, was nicht ganz der Wahrheit entsprach.
    „Wo er wohl hinwollte?“, murmelte Grace.
    Und dann saßen sie da wie drei Dummköpfe (fand Amelia), reglos, den Blick stumm zur Tür gewandt. Einen Augenblick später hörten sie ein Knurren und dann ein Krachen, worauf sie sich alle drei erhoben (aber nicht zur Tür gingen) und die Hälse reckten.
    „Verdammt und zugenäht“, hörten sie den Herzog fluchen.
    Elizabeth riss die Augen auf. Amelia fand diesen Ausbruch ziemlich herzerwärmend. Ihr gefiel alles, was nahelegte, dass er doch nicht alles vollkommen im Griff hatte.
    „Passen Sie bloß auf“, hörten sie ihn sagen.
    Draußen vor der Tür kam nun ein ziemlich großes Gemälde vorbeigeschwebt, aufrecht gehalten von zwei schwitzenden Lakaien. Es war ein ausgesprochen merkwürdiger Anblick. Bei dem Gemälde handelte es sich um ein Porträt – lebensgroß, was die Transportschwierigkeiten erklärte – von einem Mann. Einem ziemlich attraktiven Mann, der sich mit einem Fuß auf einem großen Felsbrocken abstützte und dabei sehr edel und stolz aussah.
    Mal abgesehen von dem Umstand, dass er in einem Winkel von fünfundvierzig Grad gekippt war und – von Amelias Blickwinkel aus – beim Vorüberschweben auf und ab zu wippen schien. Was der edlen und stolzen Wirkung ziemlich abträglich war.
    „Wer war das?“, fragte sie, sobald das Porträt verschwunden war.
    „Der zweite Sohn der Herzoginwitwe“, erwiderte Grace abwesend. „Er starb vor neunundzwanzig Jahren.“
    Amelia fand es seltsam, dass Grace das Todesdatum so genau wusste. „Warum wird das Porträt umgehängt?“
    „Die Herzoginwitwe will es oben haben“, murmelte Grace.
    Amelia wollte schon nachhaken, überlegte es sich aber anders. Wer wusste schon, warum die Dowager Duchess etwas tat?

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