Verführt von einer Lady
Blick scharf und durchdringend. „Sie zweifeln an meinem Wort?“, fragte er in betont gleichgültigem Ton.
„Das würde ich niemals tun.“ Sie trat einen Schritt zurück, aber es wirkte nicht wie ein Rückzug. Eher wie ein Signal – sie war aus seinem Bann getreten.
„Was wollen Sie dann damit andeuten?“
Sie lächelte. „Natürlich werden Sie mein Ehemann. Ich habe nur das ‚demnächst‘ in Zweifel gezogen.“
Er starrte sie eine ganze Weile an, ehe er sagte: „Wir haben nie offen miteinander geredet, Sie und ich.“
„Nein.“
Sie war intelligenter, als man ihn hatte glauben lassen. Das fand er gut. Hin und wieder würde es ihm zwar lästig fallen, aber insgesamt war es von Vorteil. „Wie alt sind Sie?“, fragte er.
Sie riss die Augen auf. „Das wissen Sie nicht?“
Ach, verflucht noch mal. Worüber Frauen sich alles aufregen konnten. „Nein“, meinte er.
„Ich bin einundzwanzig.“ Sie knickste, eine spöttische kleine Bewegung. „Eigentlich schon eine alte Jungfer.“
„Also bitte.“
„Meine Mutter ist schon völlig verzweifelt.“
Er sah sie an. „Freches Stück.“
Sie ließ sich das durch den Kopf gehen, schien sich sogar zu freuen über diese Beleidigung. „Ja.“
„Ich sollte Sie noch mal küssen“, sagte er und wölbte eine Augenbraue, eine wohleinstudierte, arrogante Geste.
So welterfahren war sie nicht, dass sie darauf eine Antwort parat gehabt hätte, ein Umstand, den er ziemlich befriedigend fand. Grinsend beugte er sich vor. „Wenn ich Sie küsse, sind Sie wenigstens still.“
Entrüstet keuchte sie auf.
„Sie sind auch still, wenn ich Sie beleidige“, überlegte er, „aber merkwürdigerweise finde ich das nicht ganz so unterhaltsam.“
„Sie sind unerträglich!“, zischte sie.
„Und doch kommen immer neue Worte“, seufzte er, „von Ihren Lippen.“
„Ich gehe!“, erklärte sie. Sie drehte sich um, um zum Tanzsaal zurückzustolzieren, aber er war zu schnell. Bevor sie noch entwischen konnte, hatte er sich schon bei ihr eingehängt. Ein Beobachter hätte darin höchstens eine höfliche Geste gesehen, doch die Hand, die auf der ihren lag, bedeckte sie nicht nur.
Sondern hielt sie auch fest.
„Ich begleite Sie“, erklärte er lächelnd.
Sie warf ihm einen aufmüpfigen Blick zu, erhob aber keine Einwände. Da tätschelte er ihr die Hand und beschloss, es ihr zu überlassen, ob sie diese Geste beruhigend oder herablassend fand. „Wollen wir?“, murmelte er, bevor sie gemeinsam nach drinnen schlenderten.
Der Abend neigte sich dem Ende zu. Thomas sah, dass das kleine Orchester die Instrumente abgesetzt und sich die Menge bereits gelichtet hatte. Grace und seine Großmutter waren nirgendwo in Sicht.
Amelias Eltern standen in einer entfernten Ecke und plauderten mit dem Squire, und so führte er sie in diese Richtung, nickte dabei Bekannten zu, blieb aber nirgendwo stehen.
Und dann sagte seine zukünftige Braut etwas. Leise, nur für seine Ohren. Aber etwas an dieser Frage bestürzte ihn zutiefst.
„Haben Sie es nie satt, dass die Erde aufhört, sich zu drehen, sobald Sie einen Raum betreten?“
Seine Schritte verlangsamten sich, und er sah sie an. Ihre Augen, die, wie er jetzt sehen konnte, grün schimmerten, waren weit geöffnet. Doch in ihren Tiefen lauerte keinerlei Spott. Ihre Frage war ernst gemeint und aus echter Neugier gestellt, nicht aus Bosheit.
Normalerweise entsprach es nicht seiner Art, seine tiefsten Gedanken zu offenbaren, aber in diesem Augenblick fühlte er sich plötzlich unerträglich erschöpft und hatte es vielleicht auch ein bisschen satt, er selbst zu sein. Und so schüttelte er langsam den Kopf und sagte: „Doch, ständig.“
Stunden später ging Thomas die Treppe zu seinem Schlafzimmer auf Belgrave Castle empor. Er war müde. Und schlecht gelaunt. Oder vielleicht nicht direkt schlecht, aber auch nicht gut gelaunt. Er empfand Ungeduld, hauptsächlich mit sich selbst. Den größten Teil des Abends hatte er damit zugebracht, über sein Gespräch mit Lady Amelia nachzudenken, was ärgerlich genug war – nie zuvor hatte er so viel Zeit auf sie verschwendet.
Aber statt direkt nach der Tanzgesellschaft nach Hause zu fahren, wie ursprünglich geplant, war er nach Stamford gefahren, um Celeste zu besuchen. Nur dass er bei seinem Eintreffen dort keine große Lust verspürt hatte, bei ihr anzuklopfen. Alles, woran er in diesem Augenblick denken konnte, war, dass er mit ihr würde reden müssen, denn so war ihre Beziehung
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