Verführt von einer Lady
Sie.“
„Erstaunlich, nicht wahr?“, murmelte Mr. Audley. Zu Lady Amelia gewandt, fuhr er fort: „Wir sind uns überhaupt nicht ähnlich.“
Amelia sah Thomas an.
„Nein“, versetzte der scharf, „nicht im Mindesten.“
„Was meinen Sie, Miss Eversleigh?“, fragte Mr. Audley.
Amelia sah zur Tür. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass Grace zurückgekehrt war.
Mr. Audley erhob sich, wobei er den Blick nicht von Grace wandte. „Sind der Duke und ich uns in irgendeinem Wesenszug ähnlich?“
Anfangs schien Grace nicht zu wissen, was sie darauf antworten sollte. „Ich kenne Sie leider nicht gut genug, um das richtig beurteilen zu können“, erwiderte sie schließlich.
Mr. Audley lächelte, und Amelia hatte das Gefühl, dass die beiden irgendetwas miteinander teilten, was sie nicht verstand.
„Gut gesprochen, Miss Eversleigh“, sagte er. „Darf ich daraus schließen, dass Sie den Duke recht gut kennen?“
Grace erwiderte förmlich: „Ich arbeite seit fünf Jahren für seine Großmutter. In der Zeit hatte ich das Glück, ihn etwas näher kennenlernen zu dürfen.“
„Lady Amelia“, unterbrach Thomas die beiden, „darf ich Sie nach Hause begleiten?“
„Natürlich“, erwiderte sie.
„So bald?“, murmelte Mr. Audley.
„Zu Hause wird man mich schon erwarten“, erklärte Amelia.
„Dann brechen wir jetzt gleich auf“, sagte Thomas und bot ihr den Arm. Amelia ergriff ihn und erhob sich.
„Ähm, Euer Gnaden!“
Sie wandten sich Grace zu, die immer noch an der Tür stand. Sie wirkte ziemlich aufgeregt. „Wenn ich Sie kurz sprechen dürfte“, sagte sie stockend, „bevor Sie, ähm, aufbrechen. Bitte.“
Thomas entschuldigte sich und folgte Grace auf den Flur hinaus. Vom Salon aus waren sie noch zu sehen, aber es war schwer – eigentlich unmöglich – ,etwas von ihrem Gespräch zu verstehen.
„Worüber die beiden wohl reden?“, sagte Mr. Audley. Seinem Ton entnahm sie, dass er ganz genau wusste, worüber sie redeten, dass er wusste, dass sie es nicht wusste, und dass er nur zu gut wusste, dass er sie mit dieser Frage schrecklich ärgerte.
„Ich habe wirklich keine Ahnung“, fuhr sie ihn an.
„Ich auch nicht“, erklärte er, munter wie immer.
Und dann hörten sie: „Irland!“
Es war Thomas, und er war untypisch laut geworden. Amelia hätte gern gewusst, was dann gesagt wurde, doch Thomas nahm Graces Arm und zog sie mit sich außer Sichtweite. Und anscheinend auch außer Hörweite.
„Hier haben wir unsere Antwort“, murmelte Mr. Audley.
„Er kann sich doch nicht darüber aufregen, dass seine Großmutter das Land verlässt“, sagte Amelia. „Eigentlich hätte ich eher gedacht, er plant ein Freudenfest.“
„Ich glaube, Miss Eversleigh hat ihm gerade mitgeteilt, dass seine Großmutter seine Begleitung wünscht.“
„Nach Irland?“ Überrascht richtete Amelia sich auf. „Oh, da müssen Sie sich aber irren.“
Er zuckte mit den Schultern. „Vielleicht. Ich bin ja noch neu hier.“
„Abgesehen davon, dass ich mir überhaupt nicht vorstellen kann, warum die Dowager Duchess ausgerechnet nach Irland reisen will – nicht“, fügte sie hastig hinzu, als ihr einfiel, dass er ja von dort kam, „dass ich Ihr schönes Land nicht gern einmal sehen würde, aber zur Dowager Duchess scheint mir dieser Wunsch nicht recht zu passen, schließlich hörte ich, wie schlecht sie von Northumberland sprach, dem Lake District und ganz Schottland …“ Sie hielt inne und versuchte sich vorzustellen, wie die Herzoginwitwe diese anstrengende Reise genoss. „Irland ginge da dann doch wirklich etwas weit.“
Er nickte gnädig.
„Und es scheint mir wirklich nicht besonders logisch, dass sie sich wünscht, Seine Gnaden möge sie begleiten. Sie können sich nicht besonders leiden und legen keinerlei Wert auf die Gesellschaft des anderen.“
„Das haben Sie aber höflich ausgedrückt, Lady Amelia. Legt irgendwer Wert auf ihre Gesellschaft?“
Ihre Augen weiteten sich überrascht. Diese Bemerkung verriet noch deutlicher, dass er Thomas nicht mochte. Und dann sprach er das auch noch in Thomas’ Haus aus! Ganz schön unhöflich von dem Mann.
Und ziemlich seltsam.
In diesem Augenblick kam Thomas in den Salon zurück. „Amelia“, sagte er energisch, „leider kann ich Sie nun doch nicht nach Hause bringen. Ich bitte um Entschuldigung.“
„Macht nichts“, erwiderte sie. Und warf Mr. Audley dabei einen scharfen Blick zu. Warum, war ihr selbst nicht ganz klar.
„Ich treffe alle
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