Verfuehrung
an, sie weder zu verprellen, noch ihr sofort das zu geben, was sie haben wollte. Eine Lage, in der sich sonst eher Frauen befanden, dachte Giacomo, und die Erinnerung an das eine Mal als Frau, mit Calori, bei dem er selbst ein Kleid getragen hatte, jagte ihm einen Schauder über die Haut, einen Schauder aus Lust und Schuldbewusstsein zugleich.
Er stand gerade im Begriff, sie zu betrügen. Nicht, weil er bald mit einer anderen Frau zusammen sein würde. Als sie sich in Bologna verabschiedeten, waren sie sich einig, dass niemand vom anderen körperliche Treue erwartete. Aber dies war nicht irgendeine Frau, sondern Caloris erklärte Feindin, und deswegen ging es nicht um Körper oder Herz, es ging um Verrat. Auch wenn er in erster Linie neugierig war und herausfinden wollte, was die Contessa für Neapel plante, wusste er, dass die Feindschaft zwischen Calori und der Contessa für ihn kein Hinderungsgrund, sondern eher eine Herausforderung war, und darauf war er nicht besonders stolz. Aber es war so. Diese Frau, die ihm jetzt gegenübersaß und sich mit einem Fächer aus Sandelholz heftig zufächelte, hatte auf die eine oder andere Weise die Frau gehabt, die ihn verlassen hatte, und das war der Grund, warum er sie wollte.
»Wissen Sie, warum ich Neapel besuche?«, fragte sie plötzlich. »Aus Langeweile. Pesaro ist ein solches Nest. Langweilig, langweilig, langweilig. Ist das Leben nicht schrecklich, wenn es uns so wenig Zerstreuung bietet?«
Das war vermutlich noch nicht einmal eine Lüge. Er schreckte selbst vor Langeweile zurück, aber in seinem Fall pflegte sie sich höchstens dann einzustellen, wenn er Dinge tun musste, die ihn nicht interessierten. Wenn er das Geld und den Stand der Contessa gehabt hätte, dann hätte sich Langeweile bei ihm nie eingestellt. Er verschwendete einen kurzen Augenblick darauf, sich zu fragen, wie der eheliche Sprössling eines Grimani wohl in Padua empfangen worden wäre, in Rom oder Pesaro, von Venedigs Palazzi ganz zu schweigen, und entschied, dass die Grimani letztendlich zu sehr mit Venedig verwuchert waren. Die Welt mit ihrem Reichtum zu erkunden wäre aber zumindest bequem gewesen.
»Nun, ich habe Gerüchte gehört, dass es wieder Krieg geben soll zwischen den Österreichern und Preußen, und damit auch zwischen Österreichern und Spaniern. In Pesaro haben Sie eine Garnison voller möglicher Helden. Genügt so ein Spektakel nicht zu Ihrer Ablenkung?«, fragte Giacomo sardonisch. Die Contessa rümpfte die Nase.
»Spanische Soldaten sind langweilig«, sagte sie. »Entweder riechen sie nach Weihwasser, oder sie haben aus der Neuen Welt ansteckende Krankheiten mitgebracht. Ist es nicht eigenartig, dass die Spanier ihre Inquisition immer noch viel ernster nehmen, als wir es hier im Kirchenstaat je taten? Und die spanische Uniform gefällt mir auch nicht. Seien wir doch ehrlich, die große Zeit Spaniens ist vorbei, und die Spanier versuchen verzweifelt, das Ende noch etwas aufzuschieben, indem sie sich mit den neuen Mächten wie den Preußen verbünden.« Sie schlug ihren Fächer zusammen.
»Dann wartet allerdings eine harte Prüfung auf Sie«, sagte er.
»Ach wirklich?«
»Neapel steckt voller Spanier«, entgegnete er milde.
»Wollen Sie etwa andeuten, dass dieses Königreich nicht unabhängig ist, nur weil der derzeitige König der Bruder des Königs von Spanien ist? Aber nicht doch«, gab sie zurück.
»Oh, mein Glaube an die neapolitanische Unabhängigkeit ist so fest wie mein Glaube an Einhörner und den Stein der Weisen«, sagte Giacomo. »Trotzdem fürchte ich, dass Ihnen in Neapel die eine oder andere spanische Uniform über den Weg laufen wird und Sie daher von Skylla zur Charybdis reisen.«
»Vielleicht nicht mehr lange«, sagte sie, lächelte und neigte den Kopf. »Aber genug der öden Politik. Was erwarten Sie sich von Neapel?«
Das war eine bessere Frage, als sie wissen konnte. Ein weiteres Wiedersehen, einen weiteren Abschied. Dennoch stand sein Ziel fest. Konstantinopel war zu lange der Erzfeind Venedigs gewesen, und er hatte die Vorstellung, dass es das gefährlichste Reiseziel für Venezianer war, mit der Milch seiner Amme eingesogen. Vielleicht gerade deshalb wollte er die Stadt am Bosporus unbedingt kennenlernen. Die Vorstellung allerdings, dorthin zu reisen, am Ende vielleicht sogar dabei umzukommen und Calori nicht noch einmal in den Armen gehalten zu haben, war nicht zu ertragen.
Von alldem verriet er der Contessa nichts. Stattdessen seufzte er. »Die
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