Verführung auf Burg Kells (German Edition)
Trauergäste werden sie nicht zu Gesicht bekommen. Meine Leute werden vorübergehend als Schutztruppe aushelfen, da Sir Josephs Bewaffnete nach Newcastle gezogen sind.“
„Das tut wohl auch nichts zur Sache, wie? Sie wurden nach Dumfries gebracht.“
Er schüttelte den Kopf. „Zu Pferd nach Newcastle, Mylady. Das liegt etwa achtzig Meilen von hier. Gut ausgebildete und fähige Soldaten“, sagte er, und seine blauen Augen glitzerten kalt. „Sie erhalten endlich Gelegenheit, für ihren König zu kämpfen und nicht ungesetzlich für ihren Herrn. Im Übrigen können sie sich glücklich schätzen, nicht in Dumfries hinter Schloss und Riegel zu schmachten. Wir leben in schweren Zeiten. Auf ihrem Weg können die Männer sich ein Bild vom Elend der Hungersnot machen, was ihnen bisher im Dienst eines Herrn, der die Armen und Bedürftigen noch ausgeplündert hat, erspart geblieben ist. Ein Elend, das auch
Ihr
gesehen hättet, wenn Ihr Euch nicht in den Schutz Eurer Trutzburg zurückgezogen hättet.“
Damit traf er einen wunden Punkt. „Und Ihr würdet wissen, welchen Unsinn Ihr redet, wenn Ihr an meiner Stelle hier eingesperrt gewesen wäret, wie ich und mein Kind. Glaubt Ihr tatsächlich, ich hätte mich gern all meiner Freiheiten berauben und mich hier einsperren lassen? Ohne Sam und Meg würde ich …“ Sie stockte mitten im Satz, da ihr bewusst wurde, was sie diesem Fremden hatte anvertrauen wollen, raffte erneut die Röcke und rauschte an den beiden Männern vorbei aus der Kapelle.
Die schwere Eichentür schlug hinter ihr zu, und Bruder Walter wiegte traurig den Kopf und seufzte. „Ach, jetzt weiß ich auch, woher Ihr die Kratzer im Gesicht habt, junger Mann. Sie ist ein Hitzkopf. Ihr solltet Euch einen Falknerhandschuh und eine Kappe zulegen, um sie zu zähmen. Zwei streitbare Damen, die Rabenschwarze und die Rothaarige, wie?“
„Ja“, bestätigte Sir Alex, „aber beide lassen sich zähmen, Bruder.“
„Und Eure Männer? Könnt Ihr auch sie zähmen?“
Der hoch gewachsene kraftvolle Schotte lachte schallend. Jeder seiner Männer war handverlesen, jeder ein Fachmann auf seinem Gebiet, ob Koch, Sattler, Waffenschmied, Rüstungsmacher, Hufschmied, Doktor, Sprachkundiger oder Schreiber. Es gab sogar einen Harfenspieler und einen geweihten Priester unter ihnen, auch wenn kein Außenstehender sie als solche erkennen konnte. Die Männer hielten zusammen wie Pech und Schwefel und waren bereit, für ihre Kameraden und für ihre Anführer bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen. Sie trugen einfache Kleidung, meist Hosen aus Leder oder Wolle, dazu ein gepolstertes Wams, Schwert und Dolch im Gürtel, ein Tuch um den Hals und einen Helm auf dem Kopf und sahen darin einer Räuberbande zum Verwechseln ähnlich. Aber sie waren wahre Verkleidungskünstler, konnten sich im Handumdrehen in das Gefolge eines Edelmanns verwandeln, in Handelsgehilfen oder die Dienerschaft eines Lords. Die treue Schar hatte Sir Alex im Auftrag des Königs von Schottland durch ganz Europa begleitet.
Ihr letzter Auftrag hatte sie nach Galloway geführt, wo ihnen eine unerwartete Begräbnisfeier eine interessante Ablenkung bot. Die Männer würden ihre Rollen wie immer perfekt spielen. „Seid unbesorgt, Bruder“, entgegnete Alex. „Meine Männer sind vielseitig begabt und sehr anpassungsfähig. Aber nun sagt mir bitte, wen wir am Freitag zu erwarten haben. Welche Verwandten und Bekannten? Und stimmt es wirklich, dass Lady Ebony hier wie eine Gefangene gehalten wurde, wie sie behauptet?“
Bruder Walters Gesicht legte sich in tiefe Kummerfalten. „Ach ja“, sagte er leise und ließ sich langsam auf den Altarstufen nieder. „Wenn Ihr Euch nicht noch mehr blutige Kratzer einhandeln wollt, junger Mann, solltet Ihr wissen, mit wem Ihr es zu tun habt. Setzt Euch zu mir.“
Auf dem mit Stroh bedeckten Gartenweg stolperte Ebony beinahe über ein Häufchen Rüben, die der Gärtnergehilfe achtlos liegen gelassen hatte. Sie verlangsamte ihre Schritte und überlegte schuldbewusst, dass sie eigentlich nicht müßig spazieren dürfte, da so viele Aufgaben zu erledigen waren. Gästezimmer mussten hergerichtet werden, Hilfskräfte als Speisenträger aus dem Dorf geholt, Kleidung verteilt und überprüft, Listen für die Speisefolgen erstellt werden. Doch die traurige Wahrheit war, dass sie sich von Sir Alex verwirren ließ. Statt sich mit wichtigen Dingen zu beschäftigen, schwirrten ihr abwegige Gedanken im Kopf herum, und ihre Nerven waren
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