Verführung auf Burg Kells (German Edition)
eine feine weiße Linie hinter sich her zog. „Ihr habt wahrlich das Zeug zu einem Räuberhauptmann, Sir. Bosheit und Arglist scheinen Euch im Blut zu liegen. Erzählt Master Moffat, was Ihr wollt. Ich bin weder für Euer niederträchtiges Handeln noch für seine Gefühle verantwortlich. Wie dem auch sei, er erkennt mit einem Blick, dass ich dieses schändliche Angebot aus Verzweiflung gemacht habe.“ Sein lautloses Lachen ließ seinen Brustkorb an ihrem Rücken erbeben, und endlich gab er sie frei und ließ seine Hände langsam ihre Arme entlang bis zu den Schultern gleiten. Sie hätte fliehen können, aber sie rührte sich nicht. Langsam drehte sie das Gesicht, und ihr Blick folgte seiner Hand. „Ihr könnt das alles vergessen. Der Handel gilt nicht mehr. Es hat sich alles geändert. Ihr braucht Sam als Geisel nicht mehr.“
„Nein“, raunte er an ihrem Ohr. „Der Handel gilt. Gibt es sonst noch etwas?“
Da sie keine Antwort gab, nahm er seine Hände fort, und an ihren Schultern und im Rücken breitete sich eine befremdliche Kühle aus. Sie heftete den Blick wieder auf das kleine Boot, das zielstrebig und ungehindert seine Bahn zog. Und als sie ihm schließlich etwas über Freiheit sagen wollte, stellte sie fest, dass sie allein war.
Es gab zu viel zu tun, um Zeit damit zu verschwenden, den Blick nach rückwärts oder vorwärts zu lenken, was in gewisser Hinsicht ein Segen war. Sam hatte unter Biddies Aufsicht mit den beiden Söhnen des Verwalters gespielt, deren Holzpferde auf Rädern weniger reiterliches Geschick erforderten als lebende Pferde, und ihre Lanzen konnten auch als Angelruten verwendet werden.
Eine kleine Armee von Dorfbewohnern war zusammengetrommelt worden, um bei den Vorbereitungen zu helfen. Im Wirtschaftshof vor dem Küchentrakt wurden Ochsen und Kälber gehäutet und zerlegt, dazu vier Rehböcke und Wildschweine, zwanzig Lämmer, Dutzende Fasane, Enten und Gänse, Hühner und Tauben, Reiher und Hasen. Kisten, Körbe und Fässer wurden auf Fuhrwerken angekarrt und entladen. Die Küchenmägde waren damit beschäftigt, Federn zu rupfen, Fleisch zu schneiden und Geflügel zu stopfen. Jeder einzelne Gast würde in einem Federbett schlafen, so hoch türmten sich die Federberge im Hof.
„Fünfhundert Heringe?“ fragte Ebony. „Bist du sicher?“
„Sehr wohl, Mylady“, antwortete der Gehilfe des Verwalters und unterdrückte ein Niesen. „Dazu Aale, Lachse, Forellen, Neunaugen und Hechte. Gestern wurden dreihundert Gerstenbrotfladen gebacken, heute die gleiche Menge Mandelbrote, Haferkuchen und Torten. Die Bäcker arbeiten in Tag- und Nachtschichten. Nun muss ich dafür sorgen, dass die Kisten mit Datteln, Feigen und Ingwer aus dem Vorratskeller heraufgebracht werden, außerdem brauchen wir noch einen Sack Nüsse. Die Köche wissen gar nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht.“ Er blickte zum Küchentrakt hinüber, wo ein Küchenjunge eine Schubkarre voll Brennholz durch die schmale Tür bugsierte. „Ich an Eurer Stelle würde nicht dort reingehen. Ach ja, und Mistress Meg hat nach Euch gefragt. Sie ist an der Totenbahre des Lords.“
Meg kam ihr aus der Winterhalle entgegen, wo der Leichnam von Sir Joseph feierlich aufgebahrt lag, bewacht von seinem Kammerdiener, zwei Schildknappen und einem Pagen. „Ruh dich ein wenig aus“, sagte Ebony. „Komm, meine Liebe. Es ist bald Zeit zum Nachtmahl.“
Meg schüttelte den Kopf. „Ich will noch zum Pförtnerhaus hinüber, um nachzusehen, ob Davys Zimmer fertig ist. Ich habe Janet hinübergeschickt. Es dauert nicht lange.“
„Aber wieso jetzt? Die Gäste kommen erst morgen.“
Megs bläulich schimmernde Lider hingen schwer über ihren müden, traurigen Augen. „Davy ist schon da“, erwiderte sie und lächelte matt. „Wir hätten uns denken können, dass er als Erster ankommt.“
„Er ist schon da?“
„Ja, in der Sommerhalle mit Sir Alex. Sei so lieb und unterhalte ihn, bis sein Zimmer fertig ist. Es dauert nicht länger als eine halbe Stunde.“
„Ich könnte mich doch um das Zimmer kümmern, Meggie.“
Falls Meg den bittenden Unterton gehört hatte, zog sie es vor, nicht darauf einzugehen. „Du weißt, dass er dich sehen will. Und natürlich Sam.“
Ebony legte ihre Hand auf Megs Arm. „Bitte lass uns nicht davon anfangen. Es ist der falsche Zeitpunkt, um über die Zukunft zu sprechen.“
„Auch wenn ich dir zustimme, Ebbie, so bezweifle ich, dass
er
dieser Meinung ist.“
Keine der beiden Frauen hatte damit gerechnet,
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