Verführung auf Burg Kells (German Edition)
dem Essen?“ Sein Blick wanderte über die Regale, in denen Leinenlaken, Decken und Felle, Bettvorhänge und Kissen, Schürzen für die Dienstboten und Stoffballen lagerten.
„Ja, vor dem Essen. Einige Gäste, die unterwegs in einer Herberge übernachtet haben, werden noch am Vormittag eintreffen. Bitte entschuldigt mich.“ Mit einem flüchtigen Blick registrierte sie, dass er sein schlichtes Soldatenwams gegen festliche Kleidung getauscht hatte, die an einen Fürstenhof gepasst hätte. Im Gegensatz zu Master Davys Vorliebe für grelle Farben und überladenen Prunk waren Sir Alex’ Tunika und Beinkleider in matten Blautönen gehalten, und das in Falten gelegte, mit Biesen versehene Wams zeugte von hoher Schneiderkunst und brachte seine stattliche Figur vorteilhaft zur Geltung. Darunter blitzte ein schneeweißes Leinenhemd. Die eleganten Ärmel seines kurzen, in Falten gelegten Überrocks waren mit Kordeln hochgebunden, um nicht den Fußboden zu streifen.
Bevor sie die Tür erreichte, legte er die Hand an den Riegel und versperrte ihr den Weg. „Seid unbesorgt“, sagte er. „Kein Grund zur Panik. Ich muss mit Euch sprechen.“
Sie wich zurück, weigerte sich, ihm in die Augen zu blicken, spürte aber, wie er sie eingehend von Kopf bis Fuß musterte, denn auch sie hatte sich Mühe mit ihrer Erscheinung gegeben. „Was gibt es?“ wiederholte sie und kam sich dabei einfältig wie eine Magd vor. „Ich hoffe, Ihr macht es kurz.“ Seine Musterung machte sie beklommen, und ein unmerkliches Beben durchlief sie in der Befürchtung, er würde davon sprechen, was unausgesprochen zwischen ihnen bleiben musste.
„Diese Mistress Cairns, die Ihr soeben erwähnt habt“, sagte er. „Wer ist die Dame?“
„Master Davys Schwester. Sie lebt mit ihrem Gemahl in Dumfries. Er ist ein Rechtsgelehrter.“ Unwillkürlich war sie Schritt um Schritt zur Wand der Wäschekammer zurückgewichen, bis ein Regalbrett gegen ihre Schulterblätter stieß.
„Ihr habt mir verschwiegen, dass er eine Schwester hat.“
„Ihr habt nicht danach gefragt.“
„Und die beiden stehen einander nahe, abgesehen davon, dass sie in der gleichen Stadt leben?“
„Sie sind Geschwister. Natürlich stehen sie einander nahe.“
„Und Master Davy Moffat lebt allein?“
„Wieso stellt Ihr
mir
diese Fragen?“ entgegnete sie aufbrausend. „Fragt ihn doch selbst. Er redet gern.“
Alex lächelte, als habe sie damit mehr von sich preisgegeben, als sie beabsichtigt hatte. „Das tue ich auch. Aber ich möchte Euch einen Rat geben, bevor er die Frage stellt, die ihm gestern Abend auf der Zunge lag.“
„Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht. Er hat alle möglichen Fragen gestellt.“
„Ihr wisst genau, was ich meine, Mylady, also hört mir zu. Wenn er Euch einen Heiratsantrag macht, wovon ich überzeugt bin, lehnt Ihr ihn ab. Habt Ihr verstanden?“ Er fuhr fort, ohne ihren Versuch, ihn zu unterbrechen, zuzulassen. „Ihr habt zwar behauptet, nicht die Absicht zu haben, Euch wieder zu verheiraten, aber die Dinge verändern sich rasch, und mir liegt daran, dass Master Moffat begreift, dass er nicht der nächste Lord of Kells wird, auch nicht vorübergehend. Ich will sehen, wie er reagiert, wenn ihm ein Strich durch die Rechnung gemacht wird.“
Nun richtete sie ihren frostigen Blick in sein Gesicht und bemerkte das Funkeln in seinen Augen, gerade so, als fechte er einen Kampf mit dem Schwert, nicht nur mit Worten, mit ihr aus. „Ihr scheint nicht mehr ganz bei Sinnen zu sein seit unserer letzten Unterhaltung, Sir. Falls ich einen Heiratsantrag anzunehmen wünsche, so tue ich das, ohne den Rat noch die Erlaubnis eines Dritten einzuholen. Ich bin Witwe, Sir, kein junges Mädchen, und kein Mensch wird je wieder über mein Leben bestimmen. Der Tod hat mich von einem Tyrannen befreit, und ich habe es nicht eilig, mich erneut in Abhängigkeit zu begeben, vielen Dank.“
Er nickte ernsthaft. „Ich verstehe, Mylady. Dennoch denkt an meine Worte. Ich tue mein Bestes, Euch vor seinen Zudringlichkeiten zu schützen, aber ich kann nicht überall zur gleichen Zeit sein.“
„Wie ich sehe, versteht Ihr nicht viel von Frauen, Sir Alex, sonst wüsstet Ihr, dass uns Mittel und Wege zur Verfügung stehen, uns lästige Männer vom Leib zu halten. Habt Ihr schon vergessen, dass Ihr kürzlich einen Vorgeschmack davon erhalten habt?“ Ihr Blick suchte nach verräterischen Spuren an seiner Wange und seinem Hals, ohne sie zu entdecken, und als er sich ihr langsam
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