Verführung auf Burg Kells (German Edition)
ungeachtet seiner Drohungen. Aber warum?
„Welche Gedanken?“ fragte Biddie unschuldig. Sie trat neben Ebony ans Fenster, die über den See blickte, dessen sanfte Wellen im Sonnenlicht glitzerten. „Habt Ihr etwa schlechte Träume, weil Sam und ich nicht mehr bei Euch schlafen? Wir können gern wieder hier oben schlafen.“
„Nein, Biddie. Keine schlechten Träume. Nur sehr lebhafte Träume.“ Es wäre einfach gewesen, auf das Angebot einzugehen und zu sagen, ja, Biddie, ich schlafe schlecht ohne Sam und dich. Aber die lebhaften Träume ließen es nicht zu, verhöhnten sie mit Erinnerungen an seine Hände, die sie an Stellen berührten, an denen Robbie sie nie zu liebkosen gewagt hätte. So lebhaft waren die Erinnerungen, dass ihr der Atem stockte in fiebriger Erwartung, seinen muskulösen Körper zu spüren, seine verlangenden Arme, sein Schweigen, mit dem er ihr zu verstehen gab, dass er wusste, was sie begehrte. Er war vor ihrem Erwachen verschwunden, und auch damit hatte er ihr einen Wunsch erfüllt. Auch er würde sich durch nichts anmerken lassen, dass er wusste, was geschehen war, genauso wenig, wie er ihr versprechen würde, sie in Frieden zu lassen, auch das wusste sie. Aber das durfte nicht fortgesetzt werden, es durfte nicht bis zum Äußersten kommen; sie durfte es nicht noch einmal zulassen; sie musste einen Ausweg finden und verwarf im gleichen Augenblick die einfachste Lösung.
„Stecke mir das Haar hoch, Biddie“, sagte sie und hielt ihr den Schleier hin, der Kopf und Hals verbarg. „Zur Trauerfeier will ich züchtig und hochgeschlossen erscheinen und möchte nicht, dass Master Davy mich zudringlich mustert.“ Ob Biddie ahnte, dass es ihr nicht um seine Blicke ging, sondern um die blauen Augen eines anderen, denen nichts entging? Er würde ihre Schuldgefühle und ihre Scham spüren und in ihrer Hochfrisur und ihrem Schleier, der jedes Fleckchen nackte Haut verbarg, lediglich ihre vergeblichen Bemühungen sehen, ihn zurückzuweisen, und er würde wieder zu ihr kommen, nur um ihr zu beweisen, dass ihr Herz nach drei Jahren Enthaltsamkeit bereit war, wieder zum Leben erweckt zu werden. Danach würde er gehen, ohne einen weiteren Gedanken an sie zu verschwenden, und in ihrem Herzen würde ewiger Winter einkehren.
Der Wunsch, ihm aus dem Weg zu gehen, wurde im Verlauf des Tages in den Hintergrund gedrängt, da Ebony vollauf mit Vorbereitungen für die Ankunft der Gäste beschäftigt war. In der Wäschekammer legte sie einen Stapel frischer Tuniken für die Pagen in Biddies ausgestreckte Arme und wies sie an, die Kleidung in den Schlafraum über dem Backhaus zu bringen.
Master Morner, der Kämmerer, wartete die Unterbrechung ab, um dann mit seiner Liste fortzufahren. „Drei Betten in der Kammer für die Verwaltungsbeamten, Mylady?“
„Das dürfte für den Sheriff, seinen Stellvertreter und zwei seiner Beamten reichen. Lasst noch eine weitere Matratze hinaufschaffen.“
„Und Baron Cardale?“
„In die Dachkammern im Ostturm, zusammen mit seinem Gefolge.“
„Er hat aber große Schmerzen in den Knien und kann deshalb schlecht gehen, Mylady.“
„Die Schmerzen hindern ihn nicht daran, zu seinen Huren zu gehen, Master Morner“, entgegnete sie, ließ sich dann aber doch von dem bekümmerten Gesicht des Kämmerers erweichen. „Na schön, dann gebt ihm die Kammer neben der Schreibstube und bringt Mistress Cairns und ihren Gemahl in der Dachkammer unter.“
Master Morners Miene hellte sich auf, als sie eine scherzhafte Bemerkung über den beschwerlichen Weg hinzufügte, den das Paar von der Halle zurücklegen musste. „Ja, Mylady. Dann wären nur noch der Wildhüter und sein Gehilfe, Hauptmann Wishart und …“ Er hielt in seiner Aufzählung inne, da Lady Ebony ihm nicht mehr zuzuhören schien, sondern ihren Blick auf einen Punkt hinter seiner Schulter gerichtet hatte.
„Gebt nur mein Zimmer keinem anderen, Master Morner, wenn ich bitten darf“, sagte Sir Alex aufgeräumt. „Ich würde es nicht gern verlieren, bevor ich eine Nacht darin verbracht habe.“
Der Kämmerer fand es angebracht, sich zurückzuziehen, und verbeugte sich. „Keine Sorge, Sir. Wenn Ihr mich bitte entschuldigen wollt, Mylady.“
Selbst wenn sie nicht bereits so viel zu tun gehabt hätte, wäre Ebony die Begegnung mit Sir Alex nicht willkommen gewesen, andererseits wollte sie auch nicht fliehen wie eine verängstigte Maus. „Was gibt es, Sir? Ich bin in Eile, um die Gäste zu empfangen.“
„Noch vor
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