Verführung auf Burg Kells (German Edition)
Wetten abgeschlossen worden, wie der Aufenthalt von Sir Alex auf Castle Kells enden würde. Keiner würde die Wette gern verlieren, aber Biddie sah ihre Aufgabe darin, ihrer Herrin um jeden Preis zu gefallen.
„Denkt an meine Worte“, sagte Biddie, „die Dame braucht gewiss keine Ermunterung, sobald sie einen Blick auf diese Männer wirft, die alle weit besser aussehen als die Soldaten des Lords. Sie wird denken, sie sei im Himmel.“
Wie so oft bestätigte sich Biddies sprichwörtliche schottische Bauernschläue innerhalb kürzester Zeit bei der lärmenden Ankunft von Richard Cairns und seiner hübschen Gemahlin Jennie, geborene Moffat, die in jedem gesellschaftlichen Ereignis eine Chance sah, Eroberungen zu machen. Für sie unterschied sich eine Trauerfeier in dieser Hinsicht nicht von einer Hochzeitsfeier. Noch während sie aus dem Sattel ihres Reitpferdes gehoben wurde, wanderten die Blicke ihrer hellblauen Augen forschend über die hoch gewachsenen, kraftvollen jungen Krieger, die wie ihre beiden Anführer Festtagsgewänder angelegt hatten.
Als Meg sie begrüßte, senkte Jennie züchtig die schweren Lider, um ihrer Cousine das nötige Beileid über das unerwartete Hinscheiden ihres Vaters auszusprechen. Die Umarmung war herzlich, obgleich sie einander nicht sehr nahe standen, da Meg dem gezierten Getue, das Jennie zur zweiten Natur geworden war, nichts abgewinnen konnte. Überspannt und oberflächlich hatte Meg sie einmal schonungslos genannt.
„Liebste Meg“
, begrüßte Jennie sie überschwänglich. „Und der arme,
liebe
Onkel Joseph! Erzähl mir bitte, wie das passieren konnte.“
„Ja, später“, antwortete Meg. „Vorher musst du …“
„Und unsere liebe Ebony.
Noch immer
unverheiratet? Wie kannst du das nur
ertragen?“
„Ausgesprochen gut, vielen Dank“, entgegnete Ebony und hauchte Küsse an ihren Wangen in die Luft. „Du siehst wohl aus.“
Jennie lächelte affektiert und bedachte ihren Ehemann mit einem flüchtigen Blick, der mit fünfundvierzig mehr als doppelt so alt war wie sie. „Du solltest dir einen nehmen wie meinen Richard“, flüsterte sie. „Er ist ein Schatz! Er lässt mir jede Freiheit und erfüllt mir jeden Wunsch.“
Ebony fing Megs strengen Blick auf, der sie warnte, sich nicht zu einer spitzen Bemerkung verleiten zu lassen. „Wie schön für dich“, sagte sie. „Sam, mach deinen Diener.“
„Nein, wie süß!“ zwitscherte Jennie. „Ein entzückender kleiner Prinz! Wie groß er geworden ist. Und er sieht seinem armen lieben Papa immer ähnlicher. Sogar das Haar der Moffats hat er.“ Sie tätschelte ihm das Köpfchen und lachte schrill, als er der Liebkosung auswich. Und dann flog ihr Blick an den Frauen vorbei zu ihrem Bruder. „Davy! Warum konntest du nicht auf uns warten?“ Sie eilte ihm in einer Wolke aus seegrüner und blauer Seide entgegen, und die Saphire im goldenen Haarnetz, das den Knoten ihres blonden Haares zierte, funkelten blau.
Sam hatte sich davongemacht, und Ebony suchte den Burghof, in dem ein emsiges Treiben herrschte, nach seinem roten Wams mit Blicken ab. Zu ihrem großen Erstaunen entdeckte sie ihn auf der entfernten Seite des Hofs hinter den Packpferden auf dem Arm seines neuen Helden Sir Alex, das Ärmchen um seinen Hals geschlungen, mit zufriedener Miene das Treiben aus stolzer Höhe beobachtend. Die beiden Gesandten des Königs standen beieinander und beobachteten die laute Begrüßung der Geschwister Moffat. Ihre lächelnden Mienen mit leicht hochgezogenen Brauen ließen Ebony wissen, dass ihnen die Begrüßungsszene gefallen hatte.
Sie hingegen war weniger angetan, wusste nicht, was sie von Sams wachsender Zuneigung zu dem Mann halten sollte, gegen den sie einen tiefen Groll hegte. Angst flatterte durch ihre Gedanken und verschwand wie eine Fledermaus in der Dunkelheit. Sie wollte die Augen bereits abwenden, als Sir Alex’ Blick sich eindringlich in ihre Augen heftete. Er sagte etwas zu Sam, der sich ihr zuwandte, winkte und ihr mit gespitzten Lippen einen Luftkuss zuwarf und sie zwang, den Kuss zu erwidern, der unweigerlich auch dem Mann galt. Sie glaubte, in seinem Lächeln einen Anflug von Triumph zu erkennen, bevor sie sich endgültig abwandte, um mit Meg zu sprechen.
Sir Joseph hätte gewiss mit großem Vergnügen an dem festlichen Mittagsmahl teilgenommen, mit dessen Vorbereitungen die beiden Frauen und der gesamte Haushalt tagelang beschäftigt gewesen waren. Wegen der ständig wachsenden Zahl der Neuankömmlinge
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