Verführung auf Burg Kells (German Edition)
näherte, wurde ihr die Leere ihrer Drohung bewusst. Sie hätte ihn kein zweites Mal angegriffen und erinnerte sich, wie sie im Halbschlaf die Kratzwunden mit zarten Küssen bedeckt hatte. Sie glaubte immer noch, den Geschmack seiner Haut an ihren Lippen zu spüren.
Als wolle er sie auf die Probe stellen, kam er näher, bis er dicht vor ihr stand, ohne sie zu berühren. „Kämpft Ihr immer noch gegen mich oder gegen Euch selbst, Mylady? Voller Angst und Verwirrung seid Ihr. Und Ihr lehnt ab, wonach Euer Körper sich sehnt, und sehnt Euch danach, was Euer Verstand verschmäht. Ihr hasst alles, was Euch daran erinnert, wie es sein sollte, weil Ihr denkt, damit einen Treuebruch zu begehen, habe ich Recht?“
Unfähig, ihn direkt anzusehen, und voll Angst vor dem, was ihm als Nächstes in den Sinn kommen könnte, drehte sie ihm mit einem gequälten Seufzen den Rücken zu. Seine Worte trafen sie mitten ins Herz. Sie schlug die Hände vors Gesicht, doch die Glut in ihr, die er letzte Nacht entfacht hatte, schwelte in bebender Sehnsucht in ihr. „Lasst mich allein“, flüsterte sie. „Ihr habt kein Recht, das zu tun. Bringt Eure Untersuchungen zu Ende und verschwindet.“ Sie lehnte die Stirn gegen das Regalbrett, spürte seine Wärme im Rücken, seine Hand an ihrer Schulter, die den feinen Gazeschleier hob, und dann spürte sie seine Lippen an ihrer Haut, die eine heiße Spur vom Haaransatz in ihrem Nacken bis zum Ausschnitt ihres Kleides zogen. Atemlos und gebannt ließ sie seine Liebkosung geschehen, neigte den Kopf seitlich, mit geschlossenen Augen, unfähig, sich ihm zu entziehen.
Schließlich legte er den Schleier sorgsam wieder über ihre nackte Haut. „Ruhig, meine Schöne“, raunte er. „Du bist wie ein Falke, der in die Wildnis zurückgekehrt ist und sich erst wieder an sanfte Hände gewöhnen muss. Allmählich erinnerst du dich wieder an zarte Empfindungen, nicht wahr? Es ist kein Treuebruch, bezauberndes Wesen. Gefühle gehören zum Leben.“
Benommen und geschwächt von seinem Zauberbann, versuchte sie sich einzureden, dass er Unrecht hatte. Ihre sündigen Empfindungen weckten keine Erinnerungen an ihren Robbie. Er war stets gut und fürsorglich zu ihr gewesen, aber er hatte ihren Nacken nie so sanft geküsst, und sie hatte nie geahnt, dass diese Liebkosung sie mit solcher Sehnsucht nach Erfüllung peinigen könnte. Sie hatte Robbie geliebt, aber nun reagierte sie mit erschreckender Hemmungslosigkeit auf einen fremden Mann, der weder Gewissen noch Skrupel kannte, ein Mann, der ihr bereits bewiesen hatte, wie grausam und unbarmherzig er war.
Um ihm heftig zu widersprechen, wandte sie sich um, sah aber nur Sam und Biddie, die in die Wäschekammer stürmten, um einen weiteren Auftrag zu erhalten. Sir Alex war wie vom Erdboden verschluckt.
„Was ist Euch, Mistress?“ fragte Biddie besorgt. „Ist es wegen …“, sie warf einen Blick zur Tür. „Ist es dieser Mann?“ Sie nahm Sam bei der Hand und führte ihn zu den Regalen. „Sam, sei ein braver Junge und lege mir ein paar Decken auf der Truhe zurecht.“ Dann zog sie Ebony wie eine Mutter zur gepolsterten Bank unter dem Fenster. „Was ist geschehen?“ fragte sie leise. „Ich habe gesehen, wie er Euch anschaut. Bereitet er Euch Ärger, Mylady?“
Erklärungen waren ihr auch zu diesem Zeitpunkt nicht möglich. „Er verbietet mir, den Heiratsantrag von Master Davy anzunehmen, weil damit seine Untersuchungen gestört werden könnten“, sagte Ebony. „Eine unerhörte Anmaßung.“
Biddies runde Augen wurden noch größer. „Und? Habt Ihr den Wunsch, ihn zu heiraten?“
„Nein.“
„Na, dann“, seufzte sie und fuhr nach einer Denkpause fort: „Mir scheint, dieser Sir Sowieso muss auf andere Gedanken kommen und sich anderweitig umsehen“, sagte sie und traf damit mehr oder weniger den Nagel auf den Kopf. „Wie wär’s, wenn wir ihn einer gewissen Mistress, Ihr wisst schon, wen ich meine, vorstellen? Wie wäre das?“
„Biddie, du bist ein Schatz. Natürlich, Jennie. Wenn
sie
ihm nicht den Kopf verdreht, dann schafft es keine. Ich sorge dafür, dass sie beim Festmahl neben ihm sitzt.“
Im Stillen glaubte Biddie allerdings, dass ihre Herrin längst den Sieg davongetragen hatte, da die Kratzer im Gesicht des besagten Herrn auch ihr nicht entgangen waren. Mistress Jennie Cairns mochte sich zwar für unwiderstehlich halten, aber gegen Lady Ebonys dunkle, betörende Schönheit konnte sie nichts ausrichten. Unter dem Gesinde waren bereits
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