Verfuehrung auf Capri
haben mir nicht gesagt, dass es sich um eine Leihgabe handelt.“
Ihre Stimme klang angespannt, und Alessandro sah, wie sich der Ausdruck in ihren Augen änderte. Doch das ließ ihn kalt. Er hatte nur ein einziges Ziel: Sie musste diese verdammte Schönheitsfarm betreten.
„Das stand auf der Seite mit dem Kleingedruckten. Die gesamte Summe ist zu einem von mir bestimmten Zeitpunkt zurückzuzahlen.“
Laura erinnerte sich daran, dass er dem Scheck ein Blatt beigelegt hatte, das in italienischer Sprache bedruckt gewesen war. Voll heftiger Abneigung blickte sie ihn an, als ihr bewusst wurde, dass sie keine andere Wahl hatte, als auf seine Forderung einzugehen.
Aber ich kann das nicht, dachte sie verzweifelt und hätte ihn fast angefleht, ihr diese Erniedrigung zu ersparen. Die Vorstellung war schier unerträglich, doch Laura wusste, sie würde es über sich ergehen lassen müssen. Unbeholfen stieg sie aus dem Wagen. Ich werde es aushalten, weil ich gar nicht anders kann, dachte sie verzweifelt. Ich kann das Darlehen nicht zurückzahlen. Und Tomaso glaubt wahrscheinlich, dass er mir mit dieser Tortur einen Gefallen tut.
Ihren englischen Großeltern wäre klar gewesen, dass ihre Enkelin ein hoffnungsloser Fall war. Nur einmal hatte ihre Großmutter einen solchen Versuch unternommen. Damals war Laura achtzehn gewesen und hatte – eine große Ausnahme im sonst sehr zurückgezogenen Leben ihrer Großeltern – mit ihnen zu einem Jägerball gehen sollen. Gemeinsam mit ihrer Großmutter hatte sie sich ihr allererstes Abendkleid ausgesucht und war beim Friseur in der nächsten kleinen Stadt geschminkt und frisiert worden.
Noch immer brannte das Gefühl der Erniedrigung in Laura, wenn sie sich an das viele Jahre zurückliegende Ereignis erinnerte. In dem Moment, als sie den Ballsaal betreten hatte, war ihr klar gewesen, dass sie furchtbar ausgesehen hatte. Das unterdrückte Kichern der anderen Mädchen, die abweisenden Blicke der jungen Männer …
Energisch verdrängte Laura die unliebsamen Erinnerungen. Sie war keine achtzehn mehr, sondern eine erwachsene Frau. Mit bleischweren Beinen betrat sie die Schönheitsfarm, um sich dem Albtraum zu stellen.
Alessandro startete den Wagen und jagte ihn die Auffahrt hinunter. Wozu habe ich das getan?, fragte er sich zum wiederholten Male. Was würden die Mitarbeiter der Schönheitsfarm schon innerhalb weniger Stunden ausrichten können? Und um halb neun am selben Abend musste er zu der Wohltätigkeitsgala, die Christa Bellini im Hotel Montefiori in Rom ausrichtete. Dann würde die Farce beginnen. Alle wussten, dass er dort sein würde.
Konnte er das wirklich durchziehen? Ja, dachte Alessandro und trat noch stärker aufs Gaspedal. Denn wenn er der Falle entkommen wollte, die Tomaso ihm gestellt hatte, dann würde ihm nichts anderes übrig bleiben – es sei denn, er wollte wie ein egoistischer Mistkerl dastehen.
„Hier entlang, Signorina Stowe.“
Die elegante, schick gekleidete Frau sprach fließend Englisch mit italienischem Akzent. Laura folgte ihr mit ausdrucksloser Miene.
Auch während der folgenden sieben Stunden behielt sie diesen Gesichtsausdruck bei, um die schier unendlichen und sinnlosen Behandlungen ertragen zu können. Am liebsten hätte sie die Angestellten der Schönheitsfarm gebeten, sie einfach in Ruhe zu lassen, weil sie ohnehin nur ihre Zeit verschwendeten. Doch das wäre unhöflich gewesen.
Laura wusste, sie würde es aushalten müssen, wie sie es ihr ganzes Leben lang schon tat. Wo auch immer sie war, was auch immer sie tat – sie wusste ganz genau, wer sie war und wie sie aussah. Daran würden auch ein Haarschnitt, eine Gesichtsmaske oder irgendeine der anderen Behandlungen nichts ändern.
Wieder musste sie an jenes Erlebnis vor vielen Jahren denken. Ihre Großmutter hatte ihr geholfen, ein Ballkleid auszusuchen. Und plötzlich war Laura voller Hoffnung gewesen, dass die neue Kleidung, das Make-up und die neue Frisur die Veränderung herbeiführen könnten, die sie sich so sehnlichst wünschte. Doch sofort beim Betreten des Ballsaals hatte sie gewusst, dass ihre Hoffnung sie trog. Danach hatte Laura nie wieder versucht, dem Schicksal zu entfliehen, mit dem sie bei jedem Blick in den Spiegel konfrontiert wurde. Sie sah nun einmal so aus. Das war keine Schwäche und kein Verbrechen, sondern eine Tatsache. Also würde sie sich auch nicht mehr darüber aufregen.
Und das tat sie auch jetzt nicht. Laura ließ die Behandlungen einfach über sich ergehen.
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