Verfuehrung auf Capri
ins Zimmer fielen und er erwachte, um einen neuen Tag mit Laura zu verbringen.
Wie viele gemeinsame Tage waren schon vergangen – fünf, sechs, sieben? Alessandro wusste es nicht, und es war ihm auch egal. Er weigerte sich ganz bewusst, über irgendetwas oder irgendjemanden nachzudenken.
Ganz besonders verdrängte er jeden Gedanken an Tomaso und die Tatsache, dass er mit dessen Enkelin zusammen hier war. Auch über die Machenschaften des alten Mannes oder irgendetwas, das mit Viale-Vincenzo zusammenhing, wollte er nicht nachdenken. Stattdessen würde er einfach weiter Zeit mit Laura verbringen, einen weiteren Tag, eine weitere Nacht und so weiter. Das genügte ihm.
Und offenbar genügte es Laura auch. Sie schien glücklich und zufrieden damit zu sein, dass sie und er tagsüber Touristen und nachts ein Liebespaar waren. Sie unterhielten sich ausführlich über die Orte, die sie bereits besucht hatten oder die sie noch sehen wollten, oder über Filme, Theater, Bücher und Musik. Über sich selbst oder ihre Familien sprachen sie nie, denn das hätte sie an Dinge erinnert, an die keiner von ihnen denken wollte. Nein, dachte Alessandro, für uns beide gibt es nur die Gegenwart, den Moment.
Auch Fragen stellten sie nicht – Fragen danach, warum sie zusammen hier waren, oder danach, was als Nächstes kommen würde.
Also kam nur ein weiterer Tag, der genauso entspannt und heiter verlief wie alle Tage davor auch. Sie fuhren in der Gegend herum, sahen sich Sehenswürdigkeiten an und spazierten durch belebte Orte wie Positano oder stillere wie das in den Hügeln gelegene Ravello. Sie tranken Kaffee, aßen zu Mittag und genossen die schöne Aussicht, ganz entspannt und ohne Eile. Sie hatten ja auch nichts Dringenderes zu tun, als Spaß zu haben und jeden Tag zu nehmen, wie er kam. Alles andere war jetzt nicht wichtig.
Doch irgendwann konnte Alessandro die Außenwelt nicht länger verdrängen. Seine Assistentin rief an, und er stellte fest, dass er seine Arbeit nicht weiterhin einfach würde delegieren können.
„Es tut mir leid, aber ich muss zurück nach Rom“, eröffnete er Laura.
Sie akzeptierte das und begann, ihre Sachen zu packen, ohne ihm oder sich selbst Fragen zu stellen.
Doch insgeheim genoss sie noch zum letzten Mal ausgiebig den Anblick von Alessandro, wie er am Frühstückstisch auf der sonnigen Terrasse saß, vor dem Hintergrund des azurblauen Meeres.
Präg dir diesen Augenblick ein, ermahnte sie sich innerlich.
Und bevor sie ihr Hotelzimmer verließen, legte sie Alessandro plötzlich die Hand auf den Arm. Er blickte sie an.
„Alessandro, ich möchte dir noch einmal für alles danken“, sagte sie und sah ihn mit großen Augen an. Was sie damit ausdrücken wollte, war unmissverständlich. Dann gab sie ihm einen kurzen, sehr sanften Kuss auf den Mund, wandte sich um und ging hinaus.
Auf der Rückfahrt nach Rom sprachen sie kaum miteinander. Warum auch?, dachte Laura. Es gibt schließlich nichts zu sagen.
Sie ließ nicht zu, dass ihre Gefühle sie überwältigten, denn das hätte zu nichts geführt. Außerdem hatte sie allen Grund, dankbar und glücklich zu sein. Darüber, dass sie etwas so Wunderschönes hatte erleben dürfen, diese wunderbare Zeit, dieses unschätzbar wertvolle Geschenk: das Geschenk, schön zu sein, eine Frau zu sein, das Geschenk der Leidenschaft.
All das hatte Alessandro ihr gegeben, und es würde immer ein Teil von Lauras Leben bleiben. Nie wieder würde sie eine verbitterte Frau sein, der die eigene Weiblichkeit verwehrt wurde. Denn das konnte keiner Frau passieren, mit der Alessandro di Vincenzo geschlafen hatte.
Laura wurde von einer wohlbekannten wärmenden Woge erfasst. Er hatte sie wirklich begehrt! Sein Verlangen war nicht vorgetäuscht oder erzwungen gewesen. Dass er sie vorher so unattraktiv gefunden hatte, tat ihrer Dankbarkeit keinen Abbruch.
Sie blickte zu ihm hinüber und betrachtete ihn. Allein sein Anblick ließ ihr Herz schneller schlagen. Doch es war mehr als seine edlen Gesichtszüge und sein maskuliner Körper – viel mehr.
Während der gemeinsamen Tage mit ihm hatte Laura Alessandro als einen ganz anderen Menschen kennengelernt. Das lag nicht an der gemeinsam erlebten Leidenschaft, sondern … Sie runzelte die Stirn. Nach einigem Nachdenken fiel es ihr ein: Alessandro hatte es allem Anschein nach Spaß gemacht, Zeit mit ihr zu verbringen. Sie hatten sich immer angeregt unterhalten, wenn auch meist über Unpersönliches, und nichts an ihren Gesprächen
Weitere Kostenlose Bücher