Verfuehrung Auf Hoher See
zu verbringen, doch nun hatte sie hier schon eine ganze Woche verloren. Danach hatte sie Beth einen Monat lang bei der Wohltätigkeitsarbeit helfen wollen, ehe sie beruflich wieder voll einstieg.
Selbst wenn sie Rion hätte begleiten wollen – was nicht der Fall war –, es war unmöglich.
„Eins sollte dir klar sein, Selina. Dir bleibt keine andere Wahl. Brutal gesagt: Der Tag der Abrechnung ist gekommen“, setzte er gefährlich leise hinzu.
Ihr wurde eiskalt, sie konnte ihn nur ungläubig betrachten. „Man hat immer eine andere Wahl“, beharrte sie tapfer.
„Du nicht, Selina. Diesmal nicht. Du bist die einzige Frau, die mich je betrogen hat, was an sich schon unverzeihlich war. Aber mir mit einem öffentlichen Scheidungskrieg zu drohen, um deine Forderungen durchzusetzen, war der Gipfel. Wie heißt es noch so schön? Rache ist besonders süß, wenn man sie kalt genießt. Eine Fügung des Schicksals wollte es, dass Stakis sein Testament nicht geändert hat. Nun ist meine Zeit gekommen, Rache zu nehmen. Nenne es Triumph des Siegers. Und was deine beruflichen Verpflichtungen betrifft …“ Spöttisch zog er eine Braue hoch. „Sag sie ab. Ich zahle dir das Doppelte.“
Typisch Rion! Ihr vermeintlicher Ehebruch störte ihn nicht halb so sehr wie der Umstand, dass sie sich bei der Scheidung gegen ihn durchgesetzt hatte. In diesem Moment hasste Selina ihn dermaßen, dass sie kaum noch an sich halten konnte.
Am liebsten hätte sie ihm das selbstgefällige, arrogante Gesicht zerkratzt und ihn zum Teufel geschickt. Stattdessen zählte sie stumm bis hundert …
Natürlich wusste sie, was er vorhatte. Sie kannte ihn gut genug. Aber sie dachte nicht daran, sich seiner Forderung zu beugen. Allmählich wurde sie ruhiger, ein Gedanke begann, Gestalt anzunehmen. Warum sollte sie Rions Ultimatum nicht annehmen?
Durch Mark Stakis’ Tod war sie in diese Zwickmühle geraten. Zufall? Schicksal? Egal. Hier stellte sich letztlich nur die Frage: Konnte sie Anna und deren Mädchen einfach im Stich lassen?
Nein! Mit dieser moralischen Schuld könnte sie nicht leben.
Auf der Insel würde Anna keine andere Arbeit finden, das wusste Selina. Seit dem Tod ihres Mannes hatte die Wirtschafterin sich und ihre Töchter allein durchbringen müssen. Thea, die jüngste, wollte Anwältin werden und im Herbst wie ihre Schwester auf dem Festland studieren. Wie konnte sie, Selina, die Träume der Mädchen aus Selbstsucht platzen lassen? Genau das würde geschehen, wenn sie einfach fortging. Hatte sie sich in den letzten Jahren nicht mit Leib und Seele dafür eingesetzt, Träume junger Menschen wahr werden zu lassen?
Rion war ein mächtiger, schwerreicher Mann. Was er sich in den Kopf setzte, bekam er. Für ihn spielte Geld keine Rolle. Und im Moment wollte er sie . Selina lächelte abschätzig. Der große Orion Moralis würde explodieren, wenn jemand auch nur anzudeuten wagte, er sei bereit, für Sex zu bezahlen. Doch genau das schlug er ihr vor.
Sie dachte an ihre Tante Peggy, ihre einzige noch lebende Verwandte. Vor zwei Jahren war diese in Rente gegangen, wohnte jedoch weiter bei ihr und war weitgehend von ihr abhängig. Nicht einmal im Traum würde ihr einfallen, Peggy im Regen stehen zu lassen, wie ihr Großvater es mit Anna getan hatte. Dann waren da noch Beth und deren Mann und ihr Kinderhilfsprojekt, das Selina laufend unterstützte. Zwar verdiente sie als Dolmetscherin nicht schlecht, aber längst nicht genug, um all diesen finanziellen Verpflichtungen nachkommen zu können.
Sie unterdrückte einen Seufzer. Die Aktiendividenden brauchte sie unbedingt für Anna, aber nur über Rion kam sie an das Geld heran.
Unwillkürlich dachte Selina an all die Menschen, die jahrelang Opfer für ihre Familien auf sich nahmen. Konnte sie die beiden Wochen auf der Jacht mit Rion da nicht irgendwie durchstehen? Er begehrte sie, doch nach einigen Tagen würde er sich zu langweilen beginnen. Lange hielt es ihn bei keiner Frau …
Leg dich hin und denk an England …
Ihr Entschluss war gefasst. Selina blickte auf Rions Hand, schlug ein und besiegelte den Pakt. „Einverstanden.“ Schnell entzog sie ihm die Finger wieder. „Und jetzt überbringe ich Anna die gute Nachricht.“
„Ja. Aber erst …“ Ehe sie reagieren konnte, zog er sie an sich. „Anna ist eine scharfsinnige Frau. Sie muss dir ansehen, dass wir uns versöhnt haben.“
Er wollte sie wieder küssen! Sie versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien und ihn
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