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Verfuehrung auf Probe

Verfuehrung auf Probe

Titel: Verfuehrung auf Probe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Nimou
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siehst nicht müde aus, was nach allem Menschenermessen auch nicht weiter verwundert, denn du hast den ganzen Flug über und fast die ganze Fahrt hierher geschlafen. Ich bin ebenfalls nicht besonders müde. Entspann dich, Nicolette. Wir haben alle Zeit der Welt.“ Eric wendet sich wieder dem Kamin zu, in den er sorgfältig eine Art Türmchen aus ganz dünnen Holzscheiten errichtet.
    Ich setze mich auf das kleinere der beiden rot gepolsterten Sofas, die über Eck stehen, und zwar so, dass man seinen Blick über die wunderbare Winterlandschaft und das Tal mit dem See schweifen lassen kann. Wenn man möchte, kann man aber auch den Kamin beobachten. Wer sich das ausgedacht hat, der hatte Sinn für Schönheit.
    Die Aussicht ist so schön wie Eric.
    Eric knüllt ein wenig Papier zusammen und steckt es in das Holztürmchen, das er im Kamin errichtet hat. Es zischt, als er ein Streichholz entzündet, das er unter das Papier schiebt. Im Nu entflammt der Papierknubbel und binnen Sekunden brennt der ganze kleine Turm. Fachmännisch schichtet Eric einige dickere Scheite über das Feuer und sofort beginnt es heimelig zu knistern.
    Zufrieden sieht Eric mich an. Oder ist es Stolz, der aus seinen Augen spricht?
    Er reibt sich die Hände und verkündet: „So, ich zieh mir jetzt was Bequemes an und dann lassen wir den Abend gemütlich ausklingen. Wenn du was zum Anziehen brauchst, dann geh ins Untergeschoss. Dort ist ein Wandschrank, in dem du Schlafanzüge, dicke Strümpfe, Wollpullover und Jacken und anderes findest. Den Schrank hast du sicher schon gesehen.“
    Schrank? Ich habe ja nicht mal das Untergeschoss gesehen. Ich dachte, es gäbe nur diese eine Etage. Himmel. Dann ist es unten noch eisig. Ich springe auf und laufe hinter Eric her, der mich geradewegs zu der Treppe führt, die sich beinahe mitten im Korridor befindet, und die ich trotzdem vollkommen übersehen habe. Ich werde also nicht nur vergesslich, sondern auch blind.
    Seufzend trabe ich in Erics Schlepptau ins Untergeschoss und drehe schnell die Heizungen auf. Dann durchforste ich den sechstürigen, mit der Wand verschmolzenen Schrank. Es ist kaum zu fassen, wie viele schon vor Jahrzehnten aus der Mode gekommene Klamotten diese Familie hier unten hortet. Während ich noch zwischen einem mit Weihnachtsmännern übersäten Männerschlafanzug und einem rot-karierten, bodenlangen Wallenachthemd schwanke, höre ich Eric hinter mir vorbeitapsen. Neugierig drehe ich mich um und sehe, wie ein großer Kerl in einer unförmigen, blau-karierten Schlafanzughose, dickem roten Rollkragenpullover und hellen Stricksocken die Treppe hochgeht. Ich schlage beide Hände vor den Mund, um nicht laut loszukreischen. Eric, der mich sonst an einen griechischen Gott erinnert, bietet allenfalls ein Bild für die Götter. Er sieht aus wie ein riesengroßer Junge, und zwar wie einer, den beim Schulsport niemand in seiner Mannschaft haben will. Die Chance, dass ich meine Prinzipien wahren kann, ist soeben um ein Vielfaches gestiegen.
    Gut gelaunt mache ich mich über den Kleiderschrank her. Immerhin weiß ich jetzt, was ich selbst tragen darf.
    Ich entscheide mich für das rot-karierte, knöchellange Nachthemd mit Rüschenkragen. Darüber ziehe ich eine beigefarbene Riesen-Grobstrickjacke, die mir bis über den Po geht. Für die Füße suche ich mir bunte, handgestrickte Ringelsocken aus, die noch schlimmer aussehen als der Rest. Aber diese Pippi-Langstrumpf-Socken kann ich mir einfach nicht verkneifen.
    Kichernd gehe zurück in den Wohnraum. Ich muss den Saum des Nachthemdes anheben, damit ich nicht stolpere. Hinten schleift der karierte Stoff trotzdem wie eine kleine Schleppe über den Boden.
    Im Wohnraum duftet es himmlisch nach Tanne und das Feuer prasselt, doch von dem seltsam gekleideten Riesen-Jungen ist keine Spur. Also pflanze ich mich wieder auf das kleinere der beiden Sofas und bestaune abwechselnd das knisternde Feuer im Kamin und das still und dunkel daliegende, verschneite Tal.
    Und dann betritt Eric den Raum. Er trägt ein Tablett vor sich her und grinst so unverschämt schief, dass mir angst und bange wird. Sollte Eric mir gegenüber auch nur den geringsten Annäherungsversuch unternehmen, wird sein unmögliches Outfit mich definitiv nicht davor bewahren, meine Prinzipien über Bord zu werfen.
    Obwohl ich weiß, dass Eric dies alles nur für Isabelle tut, fällt es mir schwer, mich daran zu erinnern, dass zwischen uns nur eine geschäftliche Verbindung besteht. Du hast einen

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